"Wenn ich merke, es kommt ein Gewitter, dann muss ich sofort nach Hause, und die Kinder müssen daheim sein." Noch heute wird Bettina Brugger etwas unruhig, wenn sie an den Abend des 13. Mai 2015 denkt. Auf ihrem Handy zeigt sie uns Fotos von umgerissenen Strommasten, zerstörten Häuserfassaden und von umgeknickten Bäumen. Auch heute, zehn Jahre nach der Katastrophe blickt die Affingerin mit gemischten Gefühlen darauf.
Tornado köpft das Dach der Marienkapelle
An jenem Abend nimmt ein Tornado der Stärke F3 von Westen her Kurs auf Stettenhofen, überquert den Lech und steuert auf Affing zu. Dabei köpfte er das Dach von der Marienkapelle auf dem Salzberg bei Anwalting. Und schließlich trifft er - eine breite Schneise der Verwüstung hinter sich lassend - auf den Affinger Ortsteil Gebenhofen, in dem auch Bettina Brugger mit ihrer Familie lebt. "Es hat in allen Farben geblitzt. Das ganze Erdgeschoß hat vibriert, alle Gläser, das ganze Haus hat gewackelt."
Anwohnerin: "Ich dachte, wir kommen nie mehr auf die Füße."
Wenige Minuten später ist der Spuk schon wieder vorbei. Für viele Anwohner aber ist nichts mehr wie zuvor. Der Tornado hat ihre Häuser zerstört, auf Grundstücken und Straßen ein unüberschaubares Chaos hinterlassen. Bettina Bruggers Mutter Juliane Golling, die ein kleines Hotel führt, erinnert sich: "Ich habe gedacht, wir schaffen das nie mehr, wir kommen nie mehr auf die Füße. (…) Alles war kaputt und es war ja alles noch neu. Und dann in ein paar Sekunden waren wir zerlegt." Sicherheitskräfte brachten die Hotelgäste in Sicherheit und übergangsweise in einer Aichacher Turnhalle unter. Tief sitzt der Schock bei allen Beteiligten.
Helfer kämpfen sich in unzähligen Stunden durch das Chaos
Doch schon am Tag darauf erleben sie eine Überraschung. Nachbarn, Mitarbeiter von örtlichen Baufirmen und andere freiwillige Helfer packen mit an: Sie stellen die Stromversorgung wieder her, decken Dächer mit Planen ab, räumen Wege frei und sie sorgen dafür, dass auch das kleine Hotel von Mutter Juliane bald wieder öffnen kann. "Diese Hilfsbereitschaft war unfassbar", sagt Juliane Golling.
Spuren des Wirbelsturms heute kaum mehr zu entdecken
Trotz der enormen Schäden: Durch den Tornado wurde niemand schwerer verletzt. Die Behörden zählten nur wenige Leichtverletzte. Die Betroffenen mussten oft lange auf Entschädigung durch die Versicherung warten oder Reparaturen aus eigener Tasche zahlen. In den betroffenen Ortschaften selbst erinnert heute kaum mehr etwas an den folgenschweren Tornado. Sogar an der Affinger Salzbergkapelle sind die Bäume fast wieder so hoch gewachsen, wie sie vor dem Wirbelsturm waren. In der Kirche Mariä Geburt wird Weihbischof Anton Losinger am Sonntag, den 18. Mai, einen Gedenkgottesdienst (10 Uhr) feiern. Im Anschluss daran treffen sich Einsatzkräfte und Helfer von damals zu einem gemeinsamen Mittagessen.
Landkreis plant Katastrophenschutz-Zentrum
Um künftig noch besser auf Stürme, Hochwasser oder andere Notlagen reagieren zu können, will der Landkreis Aichach-Friedberg baldmöglichst ein Katastrophenschutzzentrum errichten. Das Grundstück in Aichach sei bereits gefunden, so Landrat Klaus Metzger dem BR. Jetzt müsse der Kreistag noch den Plänen zustimmen. In diesem Zentrum sollen sowohl das Material als auch das Know-How der Einsatzkräfte gebündelt werden. Ebenfalls in Planung ist laut Metzger der Ausbau der Notstromversorgung an kritischen Infrastrukturen. Auch das sei eine Lehre, die man aus dem katastrophalen Tornado von 2015 gezogen habe.
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