70 Jahre Bundeswehr – Vom Kalten Krieg bis heute
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Ein Panzer mit Soldaten
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70 Jahre Bundeswehr: Geschichte vom Kalten Krieg bis heute

70 Jahre Bundeswehr: Geschichte vom Kalten Krieg bis heute

1955 bilden 101 Ex-Wehrmachts- und SS-Soldaten das Grundgerüst für die Bundeswehr. Zwischen Nazi-Erbe, Kaltem Krieg und Wehrpflicht wächst eine Armee, die kaum kämpft und ihre Kriegstauglichkeit verliert. Ein Rückblick von Kontrovers – Die Story.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Die Geschichte der Bundeswehr beginnt am 12. November 1955 als ein historisches Wagnis. Der damals amtierende Verteidigungsminister Theodor Blank (CDU) ernennt die ersten deutschen Streitkräfte: 101 Veteranen der Wehrmacht und Männer der Waffen-SS sollen die neue Bundeswehr bilden. Und diese soll möglichst wenig mit dem Vorgänger zu tun haben. "Die ganze Struktur der Bundeswehr ist anders als die der anderen deutschen Armeen", erklärt der Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Universität Potsdam im Gespräch mit Kontrovers – die Story.

"Soldaten gegen Souveränität, das war der Deal"

Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) treibt inmitten des Kalten Krieges den Aufbau der neuen Bundeswehr voran. Weniger als ein Jahr nach Gründung besteht sie aus 47.000 Freiwilligen. Adenauer bindet die Bundeswehr in die Nato ein und verspricht den USA eine halbe Million Soldaten als Bollwerk gegen die Sowjetunion. "Soldaten gegen Souveränität, das war der Deal, auf den es Adenauer angelegt hat", erklärt Militärhistoriker Neitzel.

In den 1960er-Jahren: 437.000 Soldaten und mangelnde Ausrüstung

Anfang der 1960er-Jahre hinkt die Bundeswehr trotz aller Anstrengungen ihren Vorgaben hinterher. Die Ausrüstung ist mangelhaft, es fehlt an Munition und Übungsplätzen. 1965 sind bereits die meisten der 437.000 Soldaten der Bundeswehr Wehrpflichtige. 18 Monate lang dauert der Kriegsdienst für diejenigen, die bei der Musterung als "tauglich" befunden werden.

Ex-Bundesverteidigungsminister de Maizière: Ernsthaft bedroht fühlten wir uns nicht

In den 1970er-Jahren ist die Armee weiter im Wachstum. Seit Jahrzehnten herrscht Frieden. Es wird viel geübt, aber nie gekämpft. In dieser Zeit tritt der spätere Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein. Im Interview mit Kontrovers – die Story erzählt er von seinen Eindrücken: "Wir haben geübt, dass die Roten angreifen. Rot war die Angreifer-Farbe, blau war die Verteidigungsfarbe. Aber wenn ich mich zurück erinnere, so ganz ernsthaft bedroht von einem Angriff der Sowjetunion auf den Westen fühlten wir uns nicht."

Kurz vor Mauerfall: Verteidigungsetat wird dramatisch erhöh

Anfang der 1980er-Jahre kommt alles anders: Die Angst vor einem Angriff der Sowjetunion ist so groß wie noch nie. Der Verteidigungsetat der Bundeswehr wird dramatisch erhöht. Doch dann fällt im November 1989 die Mauer, der Kalte Krieg ist zu Ende.

Bundeswehr in der Sinnkrise: internationale Einsätze statt Verteidigung

Es ist der Start einer Art Sinnkrise: 600 000 Soldaten, eine hochgerüstete Truppe – und niemand weiß, wie es weitergeht. Die Bundeswehr beginnt, sich an einer Vielzahl von Auslandseinsätzen zu beteiligen. Gleichzeitig wird in den darauffolgenden Jahren gespart, die Truppe und deren Ausrüstung reduziert.

2001 wird die Landesverteidigung quasi abgeschafft, die Bundeswehr wird zur mobilen Eingreiftruppe im Ausland. Noch im selben Jahr beginnt als Folge des islamistischen Anschlags am 11. September auf die USA einer ihrer bis dahin größten Einsätze. Die USA schicken Bomben und Soldaten nach Afghanistan, die NATO erklärt die Sache zum Bündnisfall. Im April 2010 kommt es in Afghanistan zum schwersten Gefecht deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wehrpflicht wird wenige Jahre vor Annexion der Krim ausgesetzt

Fast gleichzeitig setzt die Bundesregierung eine umstrittene Reform in Gang: Die Wehrpflicht wird 2011 ausgesetzt und die Bundeswehr zur Freiwilligenarmee umgewandelt. Als Russland 2014 völkerrechtswidrig die Krim annektiert, besteht die Bundeswehr nur noch aus 182.000 Berufssoldaten.

Militärhistoriker: "Vor allen Dingen läuft uns die Zeit weg"

Am 24. Februar 2022 überfällt Russland die Ukraine und bedroht Europas Frieden. 100 Milliarden Euro Sondervermögen werden von der Bundesregierung fürs Militär bereitgestellt. Die Landesverteidigung steht heute wieder im Mittelpunkt. "Es werden Dinge bestellt, die man vorher nicht bestellen mochte. Die F-35, die nukleare Teilhabe wird gesichert, Drohnen werden eingeführt", so Militärhistoriker Sönke Neitzel. "Vor allen Dingen läuft uns die Zeit weg. Der Auftrag ist, gegen eine gleichwertige Armee mit tausenden von Drohnen zu kämpfen." Aus Sicht des Militärexperten ist der Rückstand aktuell noch so groß, dass dieser Auftrag nur in Teilen erfüllt werden kann.

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