Freie-Wähler-Chef und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger
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Aiwanger rechtfertigt Schulden-Kehrtwende: Wären "politisch tot"

Aiwanger rechtfertigt Schulden-Kehrtwende: Wären "politisch tot"

Zwischen "Wir sagen nein" und Zustimmung zum Schuldenpaket lagen fünf Tage: eine unvermeidbare Kehrtwende, sagen die Freien Wähler. Denn die CSU habe mit dem Rauswurf aus der Koalition gedroht. Die CSU-Darstellung klingt anders.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die Aussagen vom Montagabend passen nur bedingt zu den Äußerungen vom Dienstag. Als Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) und der Freie-Wähler Fraktionsvorsitzende Florian Streibl nach dem Krisentreffen der Koalitionsspitzen am Montag vor die Presse traten, lobten sie einhellig die sehr "konstruktiven", "fairen" Gespräche und die Einigkeit von Schwarz-Orange. Einige Stunden später klingen zumindest mehrere führende FW-Politiker anders: Sie werfen der CSU vor, ihnen im Streit über das Abstimmungsverhalten Bayerns zum Schuldenpaket im Bundesrat quasi die Pistole auf die Brust gesetzt zu haben.

"Wir haben die SPD in Bayern verhindert"

Digitalminister Fabian Mehring (FW) sagt dem BR, den Freien Wählern sei am Koalitionstisch klargemacht worden, dass ihr Nein zu den schwarz-roten Schuldenplänen das Ende der Koalition bedeuten würde. Die CSU habe angekündigt, in diesem Fall mit der SPD in Bayern weiter zu regieren. Seine Partei habe überhaupt keine Chance gehabt, das Schuldenpaket zu verhindern.

Auch Parteichef Hubert Aiwanger verteidigt sich im BR-Interview: "Wenn wir Freien Wähler nicht eingelenkt hätten, wären wir am Freitag nicht mehr in der Regierung", sagt er. Die CSU hätte dann ohne die Freien Wähler im Bundesrat zugestimmt. "Aber dann sind wir politisch hier tot. Und dann haben wir die SPD in Bayern am Ruder und nicht mehr die Freien Wähler."

Kehrtwende nach fünf Tagen

Noch am vergangenen Mittwoch hatten Streibl und Aiwanger selbstbewusst die Ablehnung des milliardenschweren Finanzpakets von Union und SPD verkündet. Die FW könnten den Plänen in dieser Form nicht zustimmen: "Wir sagen Nein." Da Bundesländer im Bundesrat nur einheitlich votieren können, hätte Bayern somit nicht mit Ja stimmen können. Die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit in der Länderkammer wäre am nächsten Freitag gefährdet gewesen – und damit das gesamte Schuldenpaket.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) berief am Montag eine Krisensitzung ein, in der die Freien Wähler ihren Widerstand "mit Bauchschmerzen" aufgaben: Bayern wird am Freitag eine Protokollerklärung mit einigen Klarstellungen ohne rechtliche Bedeutung abgeben – und dem Paket zustimmen. Noch am Montagabend betonten die Freien Wähler in einer Mitteilung, dass eine "generelle Ablehnung der schwarz-roten Vorschläge im Bundesrat" für sie "nicht durchsetzbar" gewesen wäre. Auf BR-Anfrage bekräftigt die bayerische FW-Generalsekretärin Susann Enders: "Wir haben gestern doch zugestimmt, nachdem wir durch 'standhaft bleiben' im Bund nichts verhindern konnten." Die Kehrtwende verteidigt sie: "Wir haben damit die SPD in Bayern verhindert."

Mehrheit mit SPD für CSU wäre denkbar knapp

Zwar hatten CSU-Politiker in den vergangenen Tagen den Hinweis gestreut, dass die CSU im Landtag auch mit der SPD rechnerisch eine Mehrheit hätte. Die Sozialdemokraten brachten sich auch schon in Stellung. Wie ernsthaft die Christsozialen diese Alternative tatsächlich in Erwägung zogen, ist aber unklar.

Denn: Mit nur einer Stimme wäre eine schwarz-rote Mehrheit im Maximilianeum denkbar knapp. Damit müsste neben allen Ministern auch Söder regelmäßig im Plenum erscheinen, um die Mehrheit zu sichern.

Staatskanzleichef: "Muss man nicht groß darüber sprechen"

Im bayerischen Kabinett stimmten am Dienstagvormittag laut Staatskanzleichef Herrmann alle Minister für ein Ja Bayerns im Bundesrat. Von einer offenen Drohung mag er auf Nachfrage nicht sprechen: "Also, ich sage es mal so: Der Ministerpräsident hat von vornherein sehr deutlich gemacht in verschiedensten Interviews, dass – vom Ende her gedacht – der Freistaat Bayern dieser Grundgesetzänderung zustimmt. Und da kann man sich dann selber überlegen, was das insgesamt bedeutet. Da muss man nicht groß darüber sprechen."

CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek sagt: "Es ist interessant, zu was sich der Digitalminister alles äußert." Das Kabinett, "zu dem bekanntlich auch Fabian Mehring gehört", habe "heute einstimmig zugestimmt".

Spott und Kritik aus anderen Parteien

Die Reaktionen aus anderen Parteien auf das Vorgehen der Freien Wähler reichen von beißendem Spott bis zu scharfer Kritik. Die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner kritisiert Aiwanger als "Steigbügelhalter der CSU", Vize-Fraktionschef Richard Graupner spricht von "Söders Schmusekater".

Bayerns SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer stichelte, die FW hätten gepokert und verloren. Martin Zeil (FDP), einer der Vorgänger des FW-Chefs als Wirtschaftsminister, beklagte, Aiwanger und die FW seien "erneut eingeknickt". Alle "mannhaften Erklärungen" seien Schall und Rauch. "Die Angst, von der CSU vor die Tür gesetzt zu werden, hat offensichtlich alle Grundsätze hinweggefegt."

Video: Druck der CSU führt zu Kehrtwende der FW bei der Schuldenbremse

Sitzung des bayerischen Kabinetts
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