Der "Alte Wirt" in Grünwald bei München ist ein Familienbetrieb in vierter Generation, seit 2022 geführt von Jakob Portenlänger. Dass das Bundeskabinett nun die Erhöhung des Mindestlohns gebilligt hat, hält Portenlänger für schwierig. Er verweist auf dadurch steigende Betriebskosten. Eigentlich müsste er die Preise dann an die Kunden weitergeben; doch das sei nicht so einfach, da die Preise für Restaurantbesuche in den vergangenen Jahren bereits stark gestiegen seien. Außerdem seien Restaurantbesitzer ohnehin am Limit. Vor allem, wenn die Mehrwertsteuer doch nicht auf sieben Prozent gesenkt werde. "Das Wirtshaussterben ist schon in aller Munde", sagt Portenlänger.
Portenlänger macht im Gespräch mit BR24 allerdings auch deutlich, dass er den Mindestlohn keineswegs grundsätzlich ablehnt. Dieser sei vielmehr ideal, um "ungelernte, branchenfremde Neueinsteiger" mit geringen Deutschkenntnissen einzustellen. Also jene, bei denen man sich "am Anfang nicht sicher ist", ob man zueinander passe. In einer Branche, die Portenlänger als "tollen Integrationspartner" beschreibt, in der man Fuß fassen und sich hocharbeiten könne.
Wirt Jakob Portenlänger
Dehoga kritisiert Anstieg des Mindestlohns
In der Gastronomie gibt es einen besonders hohen Anteil an Mindestlohnbeziehern: Mehr als jeder dritte Angestellte dürfte davon profitieren, dass die gesetzlich vorgeschriebene Lohnuntergrenze von derzeit 12,82 Euro brutto die Stunde um mehr als 13 Prozent angehoben wird.
Auf die Arbeitgeber kommen indes höhere Ausgaben zu. Und davor warnen nicht nur Wirte wie Jakob Portenlänger, sondern auch die organisierten Interessensvertreter des Gewerbes. Aus Sicht von Thomas Geppert, dem Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, kommt die Mindestlohnsteigerung zu einer einem "denkbar ungünstigen Zeitpunkt". In Kombination mit hoher Inflation, steigenden Kosten und sinkender Konsumneigung sei das eine "gefährliche Mischung". Die Mindestlohnerhöhung ziehe zwangsläufig alle Löhne mit nach oben und verschärfe damit die wirtschaftliche Lage insbesondere kleiner und familiengeführter Betriebe.
Mindestlohnentwicklung über allgemeiner Lohnentwicklung
Wirt Portenlänger befürchtet genau das. Auch wenn er in seinem Unternehmen nur einen Mitarbeiter habe, dem er Mindestlohn zahle, fürchtet er, dass die anderen Angestellten dann auch mehr wollten. Er nennt das eine Gehaltsspirale. Dieses Problem sieht auch Arbeitsmarktforscher Enzo Weber, Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg und Inhaber des Lehrstuhls für Empirische Wirtschaftsforschung an der Universität Regensburg.
Das Plus gehe "durchaus in den kritischen Bereich", da es deutlich über der allgemeinen Lohnentwicklung liege, sagte Weber bei BR24 im BR Fernsehen. Auf der einen Seite werde es eine deutliche Kaufkraftsteigerung geben. Die Erhöhung in zwei Schritten auf 14,60 Euro pro Stunde betreffe mehr als sechs Millionen Jobs. Auf der anderen Seite warnte Weber vor Risiken für den Arbeitsmarkt. Das Problem sei die seit Jahren stagnierende Produktivität. Die Erhöhung könne Jobs gefährden.
Interview: Prof. Enzo Weber zur Mindestlohnerhöhung
Interview: Prof. Enzo Weber zur Mindestlohnerhöhung
Weber sieht zudem einen negativen Anreiz für junge Menschen. Zwar steige die Motivation zur Arbeitsaufnahme, was auch zu Einsparungen beim Bürgergeld führen könne. Gleichzeitig steige aber auch der Anreiz, "ohne Ausbildung direkt in einen Helferjob zu gehen". Der Anteil junger Menschen ohne Ausbildung sei in den vergangenen Jahren bereits gewachsen.
DGB fordert 15 Euro pro Stunde
Auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sieht man die erneute Anhebung der vor zehn Jahren eingeführten gesetzlichen Lohnuntergrenze – damals begann es mit 8,50 Euro – mit gemischten Gefühlen. Wenngleich aus anderen Gründen. Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern, erachtet sie als zu gering. Er strebt einen Mindestlohn von 15 Euro an und begründet das mit steigenden Lebenshaltungskosten. Kritikern des Mindestlohns hält er entgegen, dass dieser keine Arbeitsplätze gefährde, sondern im Niedriglohnbereich neue schaffe. Im Friseurhandwerk etwa hätten sich manche Mitarbeiter erst durch die Einführung des Mindestlohns für einen Job in der Branche entschieden.
Die Befürchtung von Gastronom Jakob Portenlänger, dass die Wirte die Preise nicht an die Kunden weitergeben könnten, kann Stiedl nicht nachvollziehen. Er fordert die Arbeitgeber auf, die Preise anzupassen und ihre Geschäftsmodelle zu überdenken, anstatt über hohe Lohnkosten zu klagen.
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