Viele Jahre konnten Bio-Betriebe auch in Bayern Milch und Fleisch als "bio" verkaufen, auch wenn ihre Rinder nie auf einer Weide standen. Stattdessen entwickelten viele Bio-Betriebe Stallkonzepte mit Auslaufmöglichkeiten unter freiem Himmel und entsprechendem Futter von der Weide. So wurde die Weidepflicht umgangen – oder zumindest recht großzügig ausgelegt.
316 Biobetriebe sind bereits ausgestiegen
Doch damit ist nach dem Willen der EU jetzt Schluss: ab 2026 müssen Milch- oder Mastbetriebe ohne Weideflächen aus der Bio-Landwirtschaft aussteigen. Um keine Sanktionen zu riskieren, haben schon in diesem Jahr zahlreiche Bio-Betriebe keine entsprechenden Förderanträge mehr gestellt. Einem aktuellen Bericht des Landwirtschaftsministeriums zufolge waren es 316 Betriebe. Wie viele Bio-Betriebe auch künftig einen Weidezugang nicht erfüllen können oder wollen, lässt sich laut einem Ministeriumssprecher erst Mitte nächsten Jahres sagen.
Bayern will kein Vertragsverletzungsverfahren riskieren
Bis dahin gehen die Diskussionen weiter, wie streng die Weidepflicht ausgelegt werden soll. Die EU sieht hier auch für Bayern keinen Spielraum. In Österreich hat sie diese Vorgaben bereits durchgesetzt. Auch das bayerische Landwirtschaftsministerium hält sich an diese Auffassung, um kein Vertragsverletzungsverfahren zu riskieren. Bei der EU wollte Bayern dennoch Härtefallregelungen und längere Übergangsfristen erreichen. Bisher allerdings ohne Erfolg.
Gericht soll Definition der Weidepflicht klären
Einige betroffene Milchviehhalter erwarten allerdings, dass sich die Staatsregierung bei der EU mehr für ihre Nöte einsetzt. Jens Keim etwa, Sprecher der Interessengemeinschaft "Kein Zwang zur Weide", sieht durchaus Spielraum in der Definition von Weide.
Er und seine Mitstreiter hoffen nun auf eine Klärung durch den Europäischen Gerichtshof, was genau die Definition von "bio" ist und ob fehlender Weidezugang nicht durch Maßnahmen wie frisches Gras als Futter und Auslauf unter freiem Himmel kompensiert werden kann. Oder dass nur ein Teil der Herde, etwa das Jungvieh, auf die Weide muss.
Warten auf Erklärung des EU-Agrarkommissars
Für Mitte Dezember hat EU-Agrarkommissar Christophe Hansen eine Erklärung zur Weidepflicht angekündigt. Eine verlängerte Übergangsfrist bis 2028 hat er bereits in Aussicht gestellt, auch eine inhaltliche "Öffnung" der EU-Verordnung.
Hoffnung auf Gesetzgebungsverfahren in der EU
Die Abgeordnete Ulrike Müller (Freie Wähler) will über den Bayerischen Landtag erreichen, dass Bayern Einfluss auf ein mögliches Änderungsverfahren in Brüssel nimmt. Ein entsprechender Antrag sei in Vorbereitung. Allerdings wird es einige Zeit dauern, bis sich Kommission, Parlament und die Mitgliedstaaten dann auch einigen. Zumal sich Länder wie Frankreich und Italien für eine strenge Auslegung der Weidepflicht aussprechen. Und auch einige Bio-Verbände halten die Möglichkeit zum Weidegang für Bio-Betriebe für unverzichtbar.
Weitere Bio-Betriebe vor dem Ausstieg
Die Befürchtung unter den bayerischen Bio-Bauern ist groß, dass in den kommenden Jahren viele weitere Bio-Betriebe aussteigen oder ganz aufhören – mit großen Auswirkungen auf den gesamten Bio-Bereich: Wo keine Bio-Kälber mehr auf die Welt kommen, gibt es auch kein Biofleisch und wo keine Bio-Gülle mehr anfällt, können Bio-Feldfrüchte nicht mehr damit gedüngt werden.
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