Castorbehälter auf einem Zug fahren am Kernkraftwerk Isar vorbei.
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Castor-Transport: Wie lange bleibt Atommüll im Zwischenlager?

Castor-Transport: Wie lange bleibt Atommüll im Zwischenlager?

Anfang April sind sieben Castor-Behälter mit Atommüll in das Zwischenlager in Niederaichbach bei Landshut transportiert worden. Wie lange die Behälter auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Isar bleiben, ist allerdings unklar.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Die Szenen, die sich Anfang April in den Gemeinden Niederaichbach und Essenbach abgespielt haben, dürften in dieser Form einzigartig bleiben. Hunderte Einsatzkräfte der Polizei, Spezialhubschrauber, Reiterstaffeln – das alles nur für einen Zug, wenngleich mit spezieller Fracht. Am 3. April hat Bayerns erster und einziger Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll nach Bayern stattgefunden, sicher und ohne Zwischenfälle. Wie lange die Castor-Behälter und ihr strahlender Inhalt nun allerdings im Zwischenlager auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Isar bleiben werden, ist offen.

Gemischte Reaktionen über Zwischenlager

Diese Ungewissheit löst in Niederaichbach gemischte Reaktionen aus. "Ganz wohl ist mir nicht", sagt Christine Ostner. Anwohnerin Gabi Kuhnt ergänzt: "Erst haben wir das Kernkraftwerk gehabt, da waren wir schon im Nachteil. Und jetzt werden wir auch noch dafür auserwählt." Andere in der Gemeinde halten dagegen – von der Zeit mit dem AKW habe man gut gelebt, die Kassen waren voll, dank Gewerbesteuer. Die Brennelemente, die aus dieser Zeit übrigbleiben, stehen in Castor-Behältern verpackt im Zwischenlager. Dieser Atommüll störe ihn überhaupt nicht, erklärt Christopher Schulz. Und zum Castor-Transport sagt ein anderer Anwohner: "Es ist unser Müll. Den müssen wir wieder zurücknehmen – logisch."

Warum ist das "logisch"? "Bis 2005 war es gängige Praxis, dass abgebrannte Brennelemente aus den Kernkraftwerken in Wiederaufarbeitungsanlagen nach Frankreich oder England geliefert wurden. Die dort entstandenen Abfälle müssen wieder zurückgeführt werden", erklärt Stefan Mirbeth von der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung im BR-Interview. Dazu haben sich die Bundesrepublik Deutschland und Kraftwerksbetreiber als Verursacher der Abfälle verpflichtet.

Mehr als 90 Behälter im Zwischenlager

Jetzt stehen die sieben Castor-Behälter nach ihrer langen Reise vom britischen Sellafield nach Niederbayern im Zwischenlager – zusammen mit 88 weiteren Behältern. In wenigen Jahren kommen noch weitere dazu, gefüllt mit den Brennelementen, die derzeit noch im Reaktor des abgeschalteten AKW Isar 2 abkühlen.

Wie es anschließend weitergeht, ist völlig unklar. Der Atommüll steht auf unbestimmte Zeit im Zwischenlager. Standortsprecher Stefan Mirbeth erklärt: "Unsere Aufgabe ist die sichere Verwahrung im Zwischenlager. Und zwar so lange, bis wir die Behälter an ein Endlager abgeben können." Die Suche nach diesem Endlager aber wird sich noch viele Jahrzehnte hinziehen. Die verantwortliche Bundesgesellschaft für Endlagerung zeigt sich optimistisch, spricht davon, dass bis "Mitte des Jahrhunderts" ein Standort benannt werden könne – andere halten eher die 2070er-Jahre für wahrscheinlich. Eine anschließende Genehmigung, der Bau und die Einlagerung in hunderten Metern Tiefe werden ebenfalls Jahrzehnte dauern.

Wird der Atommüll also weit bis ins nächste Jahrhundert in Niederaichbach bleiben? Das halten viele Experten für sehr wahrscheinlich. Und im Ort selbst sorgt das für Bestürzung: "Ganz ehrlich, ich glaub’ nicht mehr an ein Endlager", sagt Theresia Kaltenhauser. Sie kommt zum Schluss: "Dieses Zwischenlager wird endgültig sein."

Niederaichbach als Endlager?

Wird aus der Zwischenlager-Gemeinde in Wahrheit also die Endlager-Gemeinde? Niederaichbachs Bürgermeister Josef Klaus (CSU) wehrt sich dagegen vehement: "Das ist ein oberirdisches Zwischenlager. Kein Endlager. Die hundertprozentige Sicherheit haben wir erst in einem tiefen Lager." Klaus fordert ein beschleunigtes Suchverfahren und spricht außerdem etwas aus, was im Freistaat eher selten zu hören ist: "Sollte die Wissenschaft zu dem Ergebnis kommen, der bestmögliche Standort für ein Endlager sei in Bayern, dann müsse man das akzeptieren." Die unterirdische Lagerung sei allemal besser als die oberirdische. Und die habe man bereits vor Ort – mehrmals in Bayern, insgesamt 16-mal bundesweit.

Ursprünglich wurden diese Zwischenlager für 40 Jahre genehmigt. Ein Zeitraum, der nicht ausreichen wird. Die Genehmigung für das Zwischenlager Isar läuft 2047 ab. Längst werden Neugenehmigungen vorbereitet – bei Kritikern sorgt das für Zweifel. Auf einer Mahnwache in Landshut stellen Anfang April mehrere Atomkraftgegner die Frage nach der Sicherheit: "Das Zwischenlager in Niederaichbach bleibt uns 40, 50 oder 60 Jahre länger. Ein oberirdisches Zwischenlager ist niemals für diese Zeit ausgelegt", findet Kathy Mühlebach-Sturm vom BUND Naturschutz. Louis Herrmann vom Bürgerforum gegen Atomkraftwerke fügt an: "Gerade jetzt in diesen Zeiten, wo auch Krieg eventuell im Raum steht, ist so ein Zwischenlager ein optimales Angriffsziel."

Zwischenlager – bestgeschützte Objekte in Deutschland

Laut der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung zählen die Lager zu den bestgeschützten Objekten in ganz Deutschland. "Wir haben unser Sicherheitskonzept sukzessive immer weiter angepasst", erklärt Burghard Rosen, Bundessprecher der Gesellschaft. Dabei gehe es nicht nur um den Fall eines Krieges, sondern auch um den Schutz beispielsweise vor Terrorangriffen. Selbst beim Absturz eines Airbus A380 auf ein Zwischenlager sei die Sicherheit gewährleistet – das sei in einem Genehmigungsverfahren nachgewiesen worden.

Dennoch gebe es aber auch Grenzen: "Kriegerische Szenarien bedeuten, dass wir uns darauf nicht alleine einstellen können. Falls es dazu kommen sollte, müssten dann die Maßnahmen im Wesentlichen übergehen auf den Staat. Also ganz konkret auf Institutionen wie die Bundeswehr und andere staatliche Akteure."

Wie lange die sichere Verwahrung von Atommüll im Behälter und in den Lagerhallen gewährleistet werden kann – dafür könne aktuell noch keine konkrete Jahreszahl genannt werden. Die Betreibergesellschaft verweist auf laufende Forschungsprogramme. Grundsätzlich sei die Sicherheit der Behälter und der Zwischenlager aber deutlich über den ersten Genehmigungszeitraum von 40 Jahren hinaus gewährleistet.

Irgendwann soll dann der Abtransport beginnen – zum Endlager. Erst dann soll wieder Atommüll durch den Freistaat rollen. Nach Bayerns erstem und einzigem geplanten Castor-Transport gilt aber heute und für viele weitere Jahrzehnte: Endstation Zwischenlager.

Collage: Menschen demonstrieren gegen Atomkraft, vor Castor-Zug und AKW Isar 2.
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Collage: Menschen demonstrieren gegen Atomkraft, vor Castor-Zug und AKW Isar 2.

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