Im Drogennotdienst "L43" in der Münchner Landwehrstraße hat heute Sozialarbeiter Andreas Berger Dienst. Sein Job ist es unter anderem, gebrauchte Spritzen anzunehmen und gegen frisches, unbenutztes Spritzbesteck zu tauschen. Drogensüchtige werden hier "Klienten" genannt.
Tauschanreiz für Spritzen verhindert Schlimmeres
Da mittlerweile auch die Crack- und Kokainwelle in München voll angekommen sei, so Berger, bieten sie hier im "L43" auch Crackpfeifen zum Tausch an. Mit dem Tauschangebot wird verhindert, dass die Klienten Drogen mit verunreinigtem Spritzbesteck konsumieren und dann im schlimmsten Fall an Hepatitis C oder HIV erkranken. Durch den Tauschanreiz liegen zudem weniger gebrauchte Spritzen auf der Straße.
Neben dem Tausch wird im Drogennotdienst eine 24-Stunden-Krisenberatung angeboten. Zusätzlich betreibt der Drogennotdienst eine Notschlafstelle. Bis zu drei Monate am Stück können drogensüchtige Menschen hier schlafen. Zusätzlich werden Beratungsangebote gemacht sowie Entgiftungs- und Therapiemöglichkeiten vermittelt. Alle Angebote sind kostenfrei.
Ein Weg aus der Sucht: Krisenberatung und Therapieangebote
Die Hilfsangebote des "L43" haben Tommy das Leben gerettet. Tommy heißt in Wirklichkeit anders und ist bereits über 50 Jahre alt. Über 25 Jahre war er heroinabhängig, erzählt er. Zwei Suizidversuche habe er hinter sich. Irgendwann sei man als Drogensüchtiger an einem Punkt angelangt, an dem man merke, es gehe nicht mehr weiter. In diesen Momenten sei es wahnsinnig wichtig zu wissen, dass man im "L43" anrufen könne.
Seit rund vier Jahren nimmt Tommy kein Heroin mehr. Er hat eine Wohnung, einen geregelten Arbeitsplatz und eine Familie. Einmal pro Woche holt er sein Substitut in einer Spezialklinik ab. Ansonsten lebt er ein geregeltes Leben. Dass er das geschafft hat, liegt am "L43", sagt er.
Gesundheitsministerium will sich aus Förderung zurückziehen
Der Drogennotdienst wird vom gemeinnützigen Verein prop e.V. betrieben. Das Geld dafür kommt vom Bezirk Oberbayern, der Stadt München und dem Freistaat.
Allerdings hat das bayerische Gesundheitsministerium laut prop e.V. nun angekündigt, die Finanzierung ändern zu wollen. Bei prop befürchten sie, dass sich der Freistaat ganz zurückziehen könnte. Rund 320.000 Euro würden dann in der Kasse fehlen. Infolgedessen müssten sie im "L43" Personal einsparen und die Öffnungszeiten reduzieren, erklärt Marco Stürmer, der Geschäftsführer von prop e.V.
Im Video: Kürzung bedroht Drogennotdienst in München
Kürzung bedroht Drogennotdienst in München
Neue Hotspots im Hauptbahnhofviertel könnten die Folge sein
Er befürchtet, dass sich dann im schlimmsten Fall ein Teil der Menschen wieder einen Platz im öffentlichen Raum als Treffpunkt sucht. Irgendwann würden sich dann Anwohner beschweren, was wiederum die Polizei auf den Plan ruft.
Genau dieses Szenario befürchtet auch die Stadt München. Geringere Öffnungszeiten bedeuten in der Regel mehr Polizeieinsätze im öffentlichen Raum, schreibt das städtische Gesundheitsreferat in einer Stellungnahme. Um das zu verhindern, habe man erst im vergangenen Jahr eine Ausweitung der Drogennotdienst-Öffnungszeiten beschlossen.
Alter Botanischer Garten: Ministerpräsident und Innenminister wollten mehr Sicherheit
Zu dieser Zeit war auch der Alte Botanische Garten, der unweit des Hauptbahnhofs liegt, in die Schlagzeilen geraten. Von Drogendelikten und Verwahrlosung war die Rede. Infolgedessen wurde von der Stadt eine Task-Force eingerichtet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann versprachen, mehr für die Sicherheit rund um den Münchner Hauptbahnhof tun zu wollen.
Der Bezirk Oberbayern bewertet die Arbeit des Münchner Drogennotdienstes als durchweg positiv. Man setze darauf, dass eine gemeinsame Lösung mit dem Ministerium gefunden werde, heißt es in einer Stellungnahme.
Gesundheitsministerium: Man sei weiter in Gesprächen
Auf BR-Anfrage entgegnet das bayerische Gesundheitsministerium, dass es grundsätzlich Aufgabe der Kommunen sei, Suchthilfe zu finanzieren. Der Bayerische Oberste Rechnungshof habe die Förderung moniert, heißt es in dem Schreiben. Man sei aber weiterhin mit dem Drogennotdienst im Austausch. Im "L43" hoffen sie, dass es doch noch eine Lösung gibt. Die Menschen hier seien es wert, finden sie.
Im Video: Alltag beim Drogennotdienst München
Der Drogennotdienst L43 in München.
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