Knapp 87 Jahre nach der Verwüstung durch die Nationalsozialisten ist die Synagoge Reichenbachstraße in München umfassend restauriert worden. "Die Reichenbachschul ist auferstanden. Sie hat Überlebenswillen bewiesen. Eine der wahrhaft schönsten Synagogen der Moderne ist gerettet", sagte die Initiatorin des Projekts, Rachel Salamander, anlässlich einer feierlichen Zeremonie zur Wiederherstellung der Synagoge.
Daran nahmen etwa 450 Gäste teil, unter ihnen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), zudem die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München (IKG), Charlotte Knobloch, Israels Botschafter Ron Prosor, der jüdische Starpianist Igor Levit und der Architekten-Sohn Emanuel Meyerstein.
Originalgetreue Sanierung der Synagoge
Der Architekt Gustav Meyerstein hatte die Reichenbachschul 1931 im Bauhausstil errichtet. Bei den Novemberpogromen von 1938 wurde sie stark beschädigt. 1947 wurden die Räumlichkeiten provisorisch instand gesetzt und bis zur Fertigstellung der großen Ohel Jakob Synagoge 2006 genutzt. Danach stand das Haus leer.
Nun wurde die Synagoge auf Betreiben Salamanders so originalgetreu wie möglich wieder hergestellt, im minimalistischen Stil mit schlichten Holzbänken, farbigen Wänden und farbigen Bleiglasfenstern, auf denen rituelle Gegenstände und Psalme zu sehen sind. Herzstück ist der Thoraschrein, vor dem ein gewebter Stoff der Bauhaus-Künstlerin Gunta Stölzl (1897-1983) hängt.
Die Wiederherstellung anhand alter Fotos und Pläne hat 14 Millionen Euro gekostet und wurde zu großen Teilen von Bund, Land und Stadt finanziert.
Gespräch mit Rachel Salamander zur Wiederherstellung der Synagoge an der Reichenbachstraße
Bundeskanzler kämpfte mit den Tränen
Für Bundeskanzler Merz ist die wiederhergestellte Synagoge ein Ausdruck jüdischer Lebenskraft unter widrigsten Bedingungen – damals und heute. Immerhin sei die Synagoge 1931 in einer Zeit eingeweiht worden, in der antisemitische Ausschreitungen bereits zunahmen.
Merz kämpfte mit den Tränen, als er in seiner Rede von den unmenschlichen Verbrechen der Nationalsozialisten an Juden sprach. Mit brüchiger Stimme erinnerte er an die Worte von Rachel Salamander, die als Tochter von Überlebenden in einem Barackenlager aufgewachsen war. In einem ihrer Bücher habe sie geschrieben, dass sie als Kind oft die Frage gestellt habe, ob denn niemand den Juden geholfen habe. Mit Entsetzen müsse man sich eingestehen, dass die allermeisten das nicht getan haben, so Merz in seiner emotionalen Rede.
Der Kanzler betonte, er sei entsetzt darüber, dass Antisemitismus in Deutschland wieder aufgeflammt sei. "Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr mich das beschämt: als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, aber auch als Deutscher, als Kind der Nachkriegsgeneration, als Kind, das aufgewachsen ist mit dem 'Nie wieder' als Auftrag, als Pflicht, als Versprechen." Die Bundesregierung werde alles tun, damit Jüdinnen und Juden in ganz Deutschland ohne Angst leben können, versprach Merz.
Söder: Synagoge mit großer Symbolkraft
Ministerpräsident Söder zeigte sich beeindruckt, wie hartnäckig die Initiatorin Rachel Salamander über zehn Jahre daran gearbeitet habe, diese Synagoge in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Die Reichenbachschul sei eine Synagoge mit großer Symbolkraft. Die erste, die nach dem Krieg in Deutschland wieder eröffnet wurde. Der heutige Tag sei ein Statement für jüdisches Leben. Auch der Ministerpräsident sprach sich klar gegen Antisemitismus aus: "Wer jüdisches Leben bedroht, bedroht unsere gesamte Freiheit und Demokratie."
IKG-Präsidentin Knobloch betonte, dass kein Ort in München so viele Erinnerungen der letzten jüdischen Generationen binde wie dieses Haus. Ein jüdischer Ort, der "zwischenzeitlich beschädigt, umfunktioniert und entstellt, aber eben niemals zerstört" wurde. Die einzige Synagoge in München, die die Nazi-Zeit überstand. Knobloch bedankte sich bei allen Beteiligten für die Wiederherstellung und mahnte, dass weiter an die Vergangenheit erinnert wird, "damit die Freiheit in unserem Land eine Zukunft hat".
Der israelische Botschafter Prosor wünscht sich, dass diese Synagoge voll sein wird mit Juden, die beten und keine Angst haben müssen. Das erklärte er in einem Gespräch mit dem BR. Die gemeinsame Feier mit Vertretern aus der Politik sei ein Zeichen, "dass wir alle zusammen daran arbeiten, dass sich Juden hier wohl und sicher fühlen".
Im Video: Festakt zur Wiederherstellung der Synagoge Reichenbachstraße
Mit einem feierlichen Festakt wurde die Wiederherstellung der Synagoge Reichenbachstraße in München gefeiert.
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