Luftbild: Blick auf den 40 Meter hohen Bohrturm, der demnächst wieder abgebaut werden soll.
Luftbild: Blick auf den 40 Meter hohen Bohrturm, der demnächst wieder abgebaut werden soll.
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Seit Wochen läuft an dem 40 Meter hohen Bohrturm die umstrittene Erdgas-Probebohrung in Reichling im Kreis Landsberg – begleitet von Protesten.
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk / Michael Frick
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Seit Wochen läuft an dem 40 Meter hohen Bohrturm die umstrittene Erdgas-Probebohrung in Reichling im Kreis Landsberg – begleitet von Protesten.

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Erdgasbohrung in Reichling: Energiesicherheit oder Klimakiller?

Erdgasbohrung in Reichling: Energiesicherheit oder Klimakiller?

Die umstrittene Erdgasbohrung in Reichling nähert sich dem Ende. Klimaaktivisten protestieren regelmäßig dagegen. Ob sich eine Gasförderung hier lohnt, steht noch nicht fest. Wie argumentieren Gegner, wie Befürworter – und was sagen Experten?

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Seit fünf Wochen läuft die umstrittene Erdgas-Probebohrung in Reichling im Landkreis Landsberg – begleitet von Protesten. Laut einem Sprecher der zuständigen Projektfirma wird die Endtiefe von rund 3.400 Metern demnächst erreicht. Wann der rund 40 Meter hohe Bohrturm wieder abgebaut wird, steht noch nicht fest.

Anwohner fürchten um ihr Trinkwasser

Anwohnerin Elina Kalela kann das Ende der Probebohrung kaum erwarten: Ihr Haus am Ortsrand von Reichling ist nur etwa 750 Meter vom Bohrplatz entfernt. Wegen Lärm und Licht in der Nacht könne sie nicht mehr schlafen, erzählt sie. Sie hat blickdichte Rollos besorgt und schläft mit Ohrstöpseln. Den zuständigen Behörden zufolge ist bei ihnen nur eine Handvoll offizieller Beschwerden eingegangen: Ein externer Gutachter habe keine Überschreitung der relevanten Immissionswerte festgestellt.

Auch Claudia Danner von der Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen findet die Bohrung zeitweise sehr laut. Mehrmals täglich fährt sie am Bohrplatz vorbei. Der Bohrturm ist für sie ein aus der Zeit gefallenes "Monster". Die größten Sorgen bereitet ihr und vielen ihrer Mitstreiter, dass die Haupt-Trinkwasserquelle des Dorfs nur etwa 800 Meter vom Bohrplatz entfernt ist. Das Trinkwasserschutzgebiet beginnt bereits nach rund 220 Metern. "Wir wollen die Natur schützen und unser Trinkwasser", betont Danner.

Behörden genehmigten Probebohrung mit Auflagen

Die eigens für die Bohrung gegründete Projektfirma Energieprojekt Lech Kinsau 1 GmbH weist die Vorwürfe auf ihrer Website von sich: Da sie lediglich eine alte Bohrung wieder öffne, gebe es keinerlei Berührungspunkte mit dem Grundwasser: "In ein 'altes' Bohrloch, das im Jahr 1985 komplett mit Zement verfüllt wurde, werden neue Metallrohre getrieben. Die Kombination Metall und Zement sorgt für einen Schutzmantel, der besser kaum sein könnte."

Die zuständigen Behörden haben die Probebohrung genehmigt, mit zusätzlichen Auflagen. So musste das Unternehmen beispielsweise vorab eine Grundwasser-Monitoringstelle am Bohrplatz einrichten und ein Trinkwassernotfallkonzept vorlegen.

Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim teilt auf Anfrage von BR24 mit: "Bei Einhaltung bzw. Erfüllung der verschiedenen Auflagen und Nebenbedingungen ist eine Beeinträchtigung der wasserwirtschaftlichen Belange, inkl. des Trinkwasserschutzes, nach unserem Ermessen nicht zu befürchten."

Klimaaktivisten demonstrieren gegen Probebohrung

Neben der Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen organisieren auch verschiedene Umwelt- und Klimaschutzorganisationen regelmäßig Proteste und Demonstrationen am Bohrplatz: Zuletzt rollte Greenpeace ein 60 Meter langes Banner mit der Aufschrift "Gas stoppen!" neben dem Bohrplatz aus. Aktivisten der Bewegung Ende Gelände, die der Verfassungsschutz als linksextremistischer Verdachtsfall einstuft, kletterten kürzlich mit Plakaten auf den Bohrturm. Sogar Luisa Neubauer von Fridays For Future war bereits auf einer Kundgebung.

Den Aktivisten gehe es darum, die Erschließung neuer fossiler Energievorkommen zu stoppen und den Umstieg auf die Erneuerbaren zu beschleunigen, erklärt Greenpeace-Energieexpertin Saskia Reinbeck: "Das ist nicht nur schlecht fürs Klima, sondern wir machen uns auch abhängig und das ist unverantwortlich heutzutage, wo wir doch jeden Tag sehen, was die Klimakrise anrichtet."

Fachmann: Gasbedarf wird gedeckt - notfalls durch mehr aus dem Ausland

Der Geschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie, Ludwig Möhring, kann diese Kritik nicht nachvollziehen: "Wenn wir hier in Deutschland kein Gas produzieren, ändert das nichts am Gasbedarf." Stattdessen müsse man mehr Gas aus dem Ausland importieren, mit schlechterem CO₂-Fußabdruck. Ab 2045, wenn in Deutschland aufgrund der aktuellen Gesetzgebung kein Erdgas mehr verbraucht werden dürfe, werde auch keines mehr gefördert, versichert Möhring.

Auch Energieexperte Malte Küper vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft meint: Noch könne der deutsche Gasbedarf nicht durch Erneuerbare gedeckt werden, die Alternative sei Gas aus dem Ausland. Erdgas hat 2024 etwa ein Viertel des deutschen Primärenergieverbrauchs gedeckt. 95 Prozent wurden aus dem Ausland exportiert, nur etwa fünf Prozent in Deutschland gefördert – fast ausschließlich in Niedersachen.

Sollten die Produktivitätstests in Reichling erfolgreich sein, könnte die Projektfirma das Erdgas direkt durch die Probebohrung fördern. Vorher braucht sie eine neue Genehmigung. Die unter Reichling vermuteten bis zu 500 Millionen Kubikmeter Erdgas könnten über zehn bis 15 Jahre etwa 15.000 Haushalte versorgen. Ob sie die Förderung beantragen will, will die Projektfirma in rund einem Jahr entscheiden.

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