"Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen." Dieser Satz aus der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern sorgt seit vielen Jahren für Aufregung. Bekannter ist der Satz als "Kreuzerlass" von Markus Söder (CSU), verordnet kurz nach seinem Start als Ministerpräsident im Jahr 2018.
Juristisch ist die Sache weitgehend geklärt – im Sinne der Staatsregierung. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied 2022, die Kreuze in Dienstgebäuden seien zwar ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des Staates, das verletze aber weder das Recht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit noch auf Gleichbehandlung. Aufgehängte Kreuze allein hätten noch keine "missionierende oder indoktrinierende Wirkung". Bestätigt wurde diese Entscheidung 2023 vom Bundesverwaltungsgericht.
Schule in Wolnzach hätte Kruzifix abhängen müssen
Dass das Thema im Freistaat wieder diskutiert wird, liegt an einem neuen Urteil des hiesigen Verwaltungsgerichtshofs. Dabei geht es um ein großes Kruzifix (ein Kreuz samt Darstellung des gekreuzigten Christus) im Eingangsbereich eines staatlichen Gymnasiums in Wolnzach. Zwei Schülerinnen wurden demnach durch das Kruzifix in ihrer Glaubensfreiheit verletzt.
Wird das Kruzifix jetzt abgehängt? Oder nicht? Die Schulleitung äußert sich auf BR24-Anfrage nicht, das Kultusministerium will das Urteil sorgfältig prüfen. Ein Sprecher des Verwaltungsgerichtshofs betont auf BR24-Anfrage, dass die Schülerinnen inzwischen nicht mehr auf der Schule sind. Das Urteil stelle nur fest, "dass die Weigerung der Schule, das Kruzifix aus dem Eingangsbereich der Schule zu entfernen, rechtswidrig war – also die Schülerinnen in der Vergangenheit zu Recht geltend gemacht haben, dass das Kruzifix hätte abgehängt werden müssen".
Herrmann: Kreuzerlass für Dienstgebäude nicht betroffen
So oder so: Unmittelbare Konsequenzen für den bayerischen Kreuzerlass, der den Eingangsbereich aller Dienstgebäude betrifft (staatliche Schulen gehören nicht dazu), hat das neue Urteil nicht. Es geht darin nur um den Einzelfall der beiden Ex-Schülerinnen aus Wolnzach. Das betont auch Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU), der das aktuelle Urteil "bedauerlich" findet. Der Kreuzerlass der Staatsregierung sei davon aber nicht betroffen, sagt Herrmann.
Im April 2018 hatte Bayerns Kabinett auf Initiative des damals neuen Ministerpräsidenten Söder den Kreuzerlass beschlossen. Trotz heftiger Kritik – sogar von den Kirchen, die Söder vorwarfen, das christliche Symbol für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen – trat der Erlass im Juni 2018 in Kraft.
Bund für Geistesfreiheit: "Keine unmittelbare Auswirkung"
Geklagt gegen Söders Kreuz-Anordnung hat unter anderem der Bund für Geistesfreiheit. Dessen bayerischer Landesvorsitzender Frank Riegler sagt auf BR24-Anfrage: "Auf unsere Klage gegen den Kreuzerlass hat das neue Urteil zum Kruzifix in der Schule keine unmittelbare Auswirkung." Er finde es aber spannend, wie das Gericht entschieden habe. "Für uns ist klar: Auch wenn die beiden Schülerinnen nicht mehr auf der Schule sind, muss das Kruzifix jetzt natürlich abgehängt werden."
Aktuell liege noch eine Verfassungsbeschwerde vom Bund für Geistesfreiheit beim Bundesverfassungsgericht, sagt Riegler. In Karlsruhe soll demnach geprüft werden, ob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2023 pro Kreuzerlass der Verfassung entspreche. "Bis wir da mehr wissen, dürfte es aber noch dauern." Im Kern gehe es vor Gericht immer um die Frage, ob das Kreuz ein christliches oder kulturelles Symbol sei. "Wir sehen das genau wie die Kirchen: Das Kreuz ist glasklar ein christliches Symbol."
Zum Audio: "Das Kreuz gehört zu Bayern" – Kruzifix-Urteil erhitzt Gemüter
(Symbolbild) "Das Kreuz gehört zu Bayern": Kruzifix-Urteil erhitzt Gemüter
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