An der Mittleren Isar und an der Alz soll ein umstrittenes Forschungsprojekt ab Mitte August weitergehen. Dabei sollen Jäger Gänsesäger abschießen, um den inzwischen selten gewordenen Äschen in den Flüssen zu helfen.
Kontroverse um Gänsesäger: Wissenschaftler und Vogelschützer im Konflikt
Der heimische Süßwasserfisch Äsche ist stark gefährdet. Die Bestände sind zurückgegangen, auch weil die Äsche zu den bevorzugten Beutefischen der Gänsesäger gehört. Das sagen die Fischereiwissenschaftler aus Starnberg, die für die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) das Forschungsprojekt fortführen.
Die Naturschützer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) dagegen kritisieren den Forschungsansatz und warnen davor, dass die erst in diesem Sommer beschlossene Verlängerung mit anderen Beschlüssen einer breiteren Jagd auf fischfressende Arten den Weg bereiten könnte.
Äschen in den Mägen der Gänsesäger häufig nachgewiesen
Bisher hatten untersuchte Mägen der geschossenen Gänsesäger zu 91 Prozent Äschespuren intus, heißt es. Aus 132 Mägen wurden Fische gezogen, die noch gar nicht ganz verdaut waren. Darunter auch sehr seltene Frauennerflinge, aber auch Bach- und Regenbogenforellen und neben verschiedenen Kleinfischarten auch Äschen. Weil sich die Äschen – anders als Bachforellen – nicht unter Steinen und Höhlen verstecken, sondern im freien Wasser herumschwimmen, sind sie besonders leichte Beute für Gänsesäger.
Weniger Gänsesäger - mehr Äschen?
Das Projekt läuft seit 2019 und sollte ursprünglich dieses Jahr enden. Aber an den zwei Flussabschnitten der Mittleren Isar und der Alz geht es weiter, schließlich gebe es hier Ergebnisse, so Michael Schubert der Leiter Fischökonomie bei der LfL.
An der Mittleren Isar lasse sich seit Beginn des Vergrämungsprojekts eine signifikante Zunahme des Äschenbestandes, insbesondere der mittleren Längenklassen feststellen. An der Alz zeige sich eine ähnliche Entwicklung, die durch die Fischbestandserhebung im Herbst 2025 verifiziert werden soll. Dann wird nämlich abgefischt.
User-Frage: Was bedeutet "letale Vergrämung"?
💬 BR24-User "Tullnau" fragte in der Kommentarspalte, wie die letale Vergrämung eigentlich funktioniert. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:
Letale Vergrämung bedeutet Abschuss. Dadurch wird der Bestand zwar reduziert, aber das ist nicht das vordergründige Ziel bei einer Vergrämung. Es geht darum, für einen ständigen Jagddruck zu sorgen, damit die Vögel das Gebiet meiden und sich der Fischbestand erholen kann. Das Projekt läuft zwar schon seit Jahren, zunächst wurde aber nur beobachtet. Die eigentliche Vergrämung hat erst 2022 begonnen. Gejagt wird von Mitte August bis Ende Februar. Bisher wurden der LfL zufolge an der Mittleren und Oberen Isar, an der Alz, Traun, Leitzach und Iller in diesem Zeitraum 653 Gänsesäger von den örtlichen Jägern geschossen.
Wie viele jetzt noch erlegt werden, ist unklar. Das hänge von den an den Gewässern anzutreffenden Gänsesägern ab, heißt es auf BR-Anfrage. Es wird allerdings auch darauf verwiesen, dass die Vergrämung auf Empfehlung der Technischen Universität München, dem Arbeitskreis Wildbiologie, nur noch an der Mittleren Isar und der Alz fortgeführt wird. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, ob die Vergrämung erfolgreich ist, das heißt, weniger Gänsesäger geschossen werden müssen, da die Vögel das Gewässer mittlerweile stärker meiden. 💬
Sinkende Abschusszahlen? Kritik des LBV
Die Verlängerung des Projekts soll den Wissenschaftlern zeigen, ob die Abschusszahlen zurückgehen. Für die Naturschützer vom LBV dagegen ist die Verlängerung des Projekts eine sinnlose Tötung von seltenen Vögeln. Ursprünglich war der LBV auch an einer begleitenden Projektgruppe zum Gänsesäger-Forschungsprojekt beteiligt. Die Vogelschützer sind aber vergangenes Jahr nach harter Kritik an der Methode ausgestiegen.
Andreas von Lindeiner, Landesfachbeauftragter beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz, sieht andere Einflussfaktoren auf den Äschenbestand unberücksichtigt, etwa Wasserpflanzen, Steine, Totholz im Wasser. Es gehe auch um Querverbauungen und die Wassertemperatur. Von Lindeiner erinnert daran, dass es etwa im Rhein ein großes Äschensterben gab, als der Fluss mehr als 26 Grad warm wurde.
Gänsesäger: In Bayern eine seltene Art
Der Gänsesäger verdankt seinen Namen seinem sägeförmigen Schnabel und seiner Ähnlichkeit mit Gänsen. Die großen Gänsesäger, die größer als Stockenten sind, kommen in Nordeuropa recht häufig vor.
In Bayern dagegen sind sie selten, so gibt es nach Schätzungen der Vogelkundler und der LfL nur etwa 600 Brutpaare im Sommer. Im Winter werden es mehr, weil auch Vögel aus Skandinavien und Russland hier überwintern. Der LBV will in jedem Fall in Ismaning an der Isar gegen den Abschuss der Gänsesäger protestieren.
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