Seit Monaten stapeln sich im Naturpark Jiříkov im Nordosten von Tschechien Teile von Windkraftanlagen, kaputte Flugzeugflügel, Glasfaser und giftiger Schrott wie Batterien. Sondermüll aus Deutschland, den eigentlich ein Unternehmen aus der Oberpfalz entsorgen sollte – der aber offenbar ohne Genehmigungen im Nachbarland gelandet ist. Die Bewohner von Jiříkov sorgen sich um ihre Gesundheit und ihr Grundwasser.
- Zum Artikel: Müllskandal - Bayern holt illegalen Müll zurück
Tschechiens Umweltminister beschuldigt bayerischen Kollegen
Im Frühjahr hatte das Bayerische Umweltministerium angekündigt, sämtlichen illegalen Müll aus Tschechien zurückzuholen. Passiert ist seitdem aber wenig – zum Unmut der Menschen in Tschechien und der Regierung in Prag.
Tschechiens Umweltminister Petr Hladik verweist darauf, dass sein bayerischer Kollege Thorsten Glauber (Freie Wähler) versprochen habe, dass der Sondermüll im Juni bereits zurückgeholt wird. Er habe erwartet, dass man sich in Deutschland an Versprechen hält, so der konservative Politiker weiter. Aber das gelte offenbar nicht mehr.
Auch ein zweites Zeitfenster, das nach tschechischen Angaben am Montag begonnen habe, konnte von bayerischer Seite nicht eingehalten werden. Hladik sieht den Grund für diese Verzögerung klar bei den deutschen Behörden: Die Transporteure, die den Müll zurück nach Deutschland fahren sollen, hätten immer noch nicht alle Unterlagen eingereicht, kritisiert er. Angeblich wegen der Sommerferien.
Frust auch bei der örtlichen Bürgermeisterin in Tschechien, Barbora Siskova: "Wir haben jetzt mit einem Termin Ende August gerechnet oder Anfang September. Aber wie es heißt, wird das nochmal verschoben. Wir sind traurig und enttäuscht."
Regierung der Oberpfalz verweist auf Komplexität des Verfahrens
Die Regierung der Oberpfalz teilte auf BR24-Anfrage mit, dass der Freistaat Bayern die Rücknahme und Entsorgung des Mülls auf Kosten des mittlerweile insolventen Oberpfälzer Unternehmens übernehme. In "Ersatzvornahme", wie es heißt. Transport- und Entsorgungsfirmen seien beauftragt worden. Ein aktueller Termin für den Rücktransport stehe laut einer Sprecherin noch nicht fest.
Die Regierung der Oberpfalz begründet das mit einem "komplexen Notifizierungsverfahren", das rechtlich vorgegeben sei. Bei dem müssten die beauftragten Firmen bestimmte Unterlagen bei der Regierung der Oberpfalz einreichen. Außerdem müssten Zustimmungen vom tschechischen Umweltministerium und Behörden am endgültigen Entsorgungsstandort der Abfälle eingeholt werden. An dem Rücktransport und der Entsorgung sind demnach deutsche und tschechische Firmen beteiligt.
Minister Glauber schweigt
Das bestätigt auch das bayerische Umweltministerium. Minister Glauber selbst wollte sich nach einer weiteren Anfrage von BR24 nicht vor Kamera oder Mikrofon äußern. Von einem Sprecher seines Ministeriums kam eine schriftliche Stellungnahme: In dieser wird noch einmal die Zusage der Staatsregierung bekräftigt, die Abfälle zurückzuholen. Allerdings sei eine rechtskonforme Abwicklung des Rücktransports geboten. Nur so sei auch sichergestellt, dass "spätere Regressansprüche gegenüber dem Unternehmen nicht gefährdet" würden.
Schmutziges Geschäft mit Sondermüll
Unter anderem im Dezember 2024 und im Januar dieses Jahres soll Abfall aus Deutschland in Tschechien abgeladen worden sein. Der Müll wurde entdeckt, Polizei und Zoll wurden alarmiert – der Skandal flog auf.
Mittlerweile wird der Oberpfälzer Entsorgungsfirma vorgeworfen, seit 2022 in 21 Fällen sowohl gewöhnlichen Müll als auch Sondermüll ins Ausland gebracht zu haben – ohne entsprechende Genehmigungen. Die bekannte Menge ist dabei nach und nach gewachsen. Inzwischen gehen die Staatsanwaltschaft Weiden und das Zollfahndungsamt München von 700 Tonnen aus.
Die fachgerechte Müllentsorgung in Deutschland sei inzwischen sehr teuer, erklärt die tschechische Umweltinspektion dazu. Daher werde Abfall oft umdeklariert und von tschechischen Subunternehmen irgendwo abgeladen. Die Regierung in Prag sieht ein kriminelles europäisches Netzwerk dahinter.
Zwei Männer in Untersuchungshaft
Die beschuldigte Entsorgungsfirma aus dem Landkreis Schwandorf und mit Sitz in Weiden ist seit März insolvent, der 52 Jahre alte Geschäftsführer sitzt seit 21. August in Untersuchungshaft.
Inzwischen wurde auch ein zweiter Mann in Untersuchungshaft genommen: ein 56 Jahre alter Berufskraftfahrer aus Tschechien. Er soll die Organisation übernommen haben und mit weiteren Verdächtigen Absprachen über illegale Abladeplätze in Tschechien getroffen haben. Für beide Männer gilt die Unschuldsvermutung.
Im Video: Verzögerte Müllrücknahme sorgt für Unmut in Tschechien
Müllberge auf einem Grundstück
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