Geht es nach dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung Hendrik Streeck, so hat Deutschland ein Alkohol-Problem. Das sagte er der Zeitung "Die Welt" im Juni. Er schlug vor, das sogenannte begleitete Trinken ab 14 im Beisein der Erziehungsberechtigten abzuschaffen. Nun folgt der nächste Vorstoß: Alkoholfläschchen aus den Kassenbereichen der Supermärkte zu entfernen. Und nicht nur das - auch kein Alkohol mehr an Tankstellen. Mit diesem Vorschlag will der Drogenbeauftragte den Zugang zu Alkohol erschweren. Sein Ziel: ein aus seiner Sicht notwendiger Kulturwandel.
Alkohol: Deutschland ist Hochkonsumland
Laut einem epidemiologischen Suchtsurvey trinken neun Millionen Erwachsene zu viel. Und auch ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland trinkt regelmäßig Alkohol. Im europäischen Pro-Kopf-Konsum liegt Deutschland mit Platz 11 von 42 weit über dem Durchschnitt.
Fest steht: Alkohol ist ein Nervengift und hat gesundheitliche Risiken. "Es gibt keinen risikofreien Gebrauch", sagt Suchtmediziner Oliver Pogarell von der LMU München. Doch in Deutschland ist Alkohol leicht verfügbar, kostet oft nicht viel und gehört zum gesellschaftlichen Leben oft wie selbstverständlich dazu. Daher fordert der Drogenbeauftragte Streeck ein Umdenken - und schlägt vor, die Sichtbarkeit von Alkohol einzuschränken - zumindest an den Supermarkt-Kassen und an Tankstellen. Die Idee: Ist der Alkohol dort nicht zu sehen, mindert das den Kaufreiz. Sinnvoll?
Prof. Oliver Pogarell von der Uni München findet: "Ja, es kann eine Maßnahme sein!" Man wisse aus anderen Ländern, dass eine verminderte Sichtbarkeit von Alkohol auch den Konsum senken könne. Genauso wichtig sei es aber auch, über die gesundheitlichen Folgen von Alkohol aufzuklären und mehr Therapieplätze zu schaffen.
Ziel: Impulskäufe verhindern
Laut Suchtmediziner Pogarell sprechen Angebote in den sogenannten "Quengel-Gängen" der Supermärkte vor allem Menschen mit problematischem Alkoholkonsum an. "Der visuelle Reiz kann ein starkes Verlangen auslösen, was zum Griff ins Regal führt und zum Kauf des Alkohols." Ist der Alkohol dort nicht verfügbar, verhindere das Impulskäufe.
Dennoch bestünde die Gefahr von Verschiebungseffekten: Bekämen Betroffene die Ware nicht an der Kasse oder der Tankstelle, würde Alkohol anderswo und womöglich in größerem Gebinde gekauft.
Alkoholkonsum senken - was ist am sinnvollsten?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält es für am sinnvollsten, Mindestpreise für Alkohol einzuführen und ihn gezielt zu besteuern.
Laut einer Studie gehöre dies zu den wirksamsten und kostengünstigsten Maßnahmen, um den Alkoholkonsum und seine gesundheitsschädlichen Folgen zu reduzieren. Aktuell aber werde von diesem Mittel in Europa noch zu wenig Gebrauch gemacht.
Wie reagieren Handel und das bayerische Gesundheitsministerium?
Das europäische Land mit der höchsten Besteuerung von Alkohol ist Finnland. Bei Spirituosen kommen auf eine 0,7l-Flasche 14,58 Euro Steuern. In Deutschland sind es 3,47 Euro. In Finnland kontrolliert zudem der Staat den Verkauf von Alkohol - und tatsächlich sinkt der Alkoholkonsum pro Kopf dort seit 20 Jahren.
Beim Handelsverband Bayern und dem Tankstellen-Interessensverband stößt der Vorschlag vom Drogenbeauftragten Streeck auf Ablehnung: Er sei nicht zielführend und für die betroffenen Märkte umsatzschädigend.
Das bayerische Gesundheitsministerium teilt mit: Der Vorstoß von Professor Streeck betreffe eine Vielzahl an Rechtsgebieten und müsse deshalb zunächst umfassend geprüft werden.
Im Video: Suchtmediziner Ulrich Preuss zu strengeren Alkoholregeln
Suchtmediziner Ulrich Preuss zu strengeren Alkoholregeln
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