"Wir bekennen uns klar zum Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen" - so steht es im Koalitionsvertrag. Ein Verbrenner-Aus wird es vermutlich nicht geben, auch wenn das explizit nicht im Vertrag steht. Aber: Um die CO2-Einsparungen zu erreichen, soll Elektromobilität gefördert werden und etwa E-Autos von der Kfz-Steuer befreit werden. Geplant sind Sonderabschreibungen für E-Fahrzeuge, steuerliche Vergünstigungen für Elektro-Dienstwagen und das Ladenetz soll ausgebaut werden. Dazu passt, dass im aktuellen Mobilitätsmonitor [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt] die Akzeptanz von E-Autos wieder deutlich gestiegen ist.
Demnach kommt für 23 Prozent, also fast ein Viertel der Bevölkerung, ein E-Auto in Frage. Im vergangenen Jahr waren es noch 17 Prozent. Die Vorbehalte gegen E-Autos schwinden, heißt es da. Professor Thomas Weber ist Ingenieur, Mobilitätsforscher und Präsident der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften Acatech. Er befürwortet die geplanten Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität und fordert vor allem Konstanz und Zuverlässigkeit. Zugesagte Förderungen, die dann zurückgenommen werden, so wie in der vergangenen Legislatur die Kaufprämie für E-Autos, würden zu kompletter Verwirrung führen. Eine Kfz-Steuerbefreiung auf E-Autos bis 2035 könne Investitionsentscheidungen beeinflussen und das sei wichtig.
Geplante Maßnahmen nicht ausreichend
Kritischer sieht es Peter Kasten, der beim Berliner Öko-Institut den Bereich Ressourcen und Mobilität leitet. Die Maßnahmen seien nicht verkehrt, aus seiner Sicht aber nicht ausreichend. Die Koalition setze zu sehr auf neue Technologien und weniger auf eine echte Verkehrswende. Er kritisiert die sogenannte "Technologieoffenheit". Die Wissenschaft sei sich einig, dass der Weg zu mehr Klimaschutz über den Umbau des Verkehrs führe.
Kasten fordert, es müssten weniger Autos auf die Straße, der ÖPNV müsse gestärkt, die Bahn modernisiert und die Fahrradnutzung unterstützt werden. Für all diese Bereiche gebe es Schlagworte im Koalitionsvertrag, aber keine konkreten Ziele, so die Kritik des Mobilitätsexperten. Im letzten Koalitionsvertrag habe es zumindest Zielwerte an Verkehrsleistung gegeben, etwa für den Schienenverkehr. "Aber das gibt es dieses Mal nicht." Zwar stünde im Koalitionsvertrag, man wolle mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Und man wolle den ÖPNV stärken. "Das sind also die richtigen Schlagworte. Aber auch da ist die Frage: Wie sollen diese Ziele erreicht werden?"
Problem: Finanzierungsvorbehalt
Der Ingenieur Thomas Weber hat viele Jahre die Konzernforschung von Mercedes geleitet und forschte beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung. Er sieht die Koalitionspläne nicht ganz so kritisch, sagt aber auch: "Es braucht ein modernisiertes Schienennetz." Zwar finden sich aus seiner Sicht "ein paar starke Aussagen" im Koalitionsvertrag. Er sei aber ein Verfechter eines intermodal vernetzten Verkehrssystems. Denn ausschließlich mit dem Auto werde man "die Zukunft nicht erfolgreich meistern." Auch aus seiner Sicht brauche es ein leistungsfähiges ÖPNV-System in den Städten und für große Verbindungen und insbesondere für den Güterverkehr: "Dazu brauchen wir ein hochleistungsfähiges Schienensystem."
Koalitionsvertrag lässt viel Spielraum
Auch Thomas Weber glaubt, der Koalitionsvertrag lasse noch viel Raum für konkrete Umsetzung und fordert ein Forum, wo gemeinsam am Thema Mobilitätswende gearbeitet wird. Beim Thema Deutschlandticket ist er zuversichtlich, dass es auch weiterhin genutzt wird, selbst wenn der Preis steigen sollte. Was es aus seiner Sicht hingegen nicht braucht, ist ein Tempolimit - das auch nicht im Koalitionsvertrag steht und laut CSU-Chef Söder auch nicht kommen wird. Ein Fehler, findet Peter Kasten vom Öko-Institut. Ein Tempolimit sorge für weniger Treibhausgasemissionen und sei eine Klimaschutzmaßnahme, die nichts koste.
Insgesamt seien zwar, so Kasten, die wichtigsten Themen benannt – allerdings zu unkonkret. Man könne aber auch sagen, dem neuen Kabinett bleibe viel Handlungsspielraum, um diese Ziele zu erreichen.
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