Im Landkreis Starnberg waren Beschäftigte 2024 im Schnitt rund 14,5 Tage krankgeschrieben – und damit etwas seltener als in den benachbarten Landkreisen München und Ebersberg. Deutlich länger waren Menschen im Landkreis Kronach oder der Stadt Hof arbeitsunfähig gemeldet, im Schnitt über 26 Tage.
Das zeigt eine exklusive Auswertung der BR-Datenjournalistinnen von Daten des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK) für report München in Zusammenarbeit mit der Augsburger Allgemeinen (externer Link). Ausgewertet wurden die Daten von fünf Millionen Versicherten, der Einfluss von Alter und Geschlecht der Beschäftigten wurde zur besseren Vergleichbarkeit herausgerechnet.
Interaktive Grafik: So lange sind Beschäftigte in Deutschland und Bayern krankgeschrieben
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Sogar im deutschlandweiten Vergleich steht der Landkreis Starnberg besonders gut da: Nirgendwo waren 2024 Beschäftigte weniger Tage krankgeschrieben. Auffällig ist zudem: Im Süden Deutschlands liegen die Krankenstände insgesamt niedriger. Die Gründe dafür sind sehr vielschichtig, sagt Hendrik Berth, Psychologe am Universitätsklinikum Dresden, der sich mit dem Zusammenhang von Arbeit und Gesundheit beschäftigt. Berth sieht eine mögliche Ursache in den Arbeitsbedingungen: Im wirtschaftlich starken Süden könnten sich Firmen eher leisten, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Außerdem unterliegen sie einem gewissen Zwang, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und müssen ihnen daher etwas anbieten.
Gesundheit ist ungleich verteilt
Hinzu kommen Gehaltsunterschiede: "Auch ein regelmäßiges Sportangebot im Fitnessstudio muss erst einmal bezahlt werden", erklärt Berth im Gespräch mit dem BR. Es sei wichtig, immer auf die einzelnen Menschen zu blicken.
Krankheiten könnten sich auch gegenseitig verstärken, sagt Leif Erik Sander, Klinikdirektor der Infektiologie an der Charité in Berlin. Studien würden bestätigen, dass, "wenn es vielleicht ohnehin eine höhere psychische Belastung gibt und ein Atemwegsinfekt hinzukommt, dann kann man auch schneller arbeitsunfähig werden".
Zwischen dem Bundesland mit den meisten und den wenigsten Fehltagen im Schnitt liegen fast zehn Krankheitstage. In Baden-Württemberg waren BKK-versicherte Beschäftigte 2024 im Schnitt 18,5 Tage krankgeschrieben, im Saarland und in Sachsen-Anhalt 28 Tage. Bayern liegt auf dem zweiten Platz mit 19,5 Tagen.
Reinigungsbranche besonders betroffen
Besonders Menschen, die in Reinigungs-, Verkehrs- und Logistik- oder Fertigungsberufen arbeiten, melden sich jährlich viele Tage arbeitsunfähig – Reinigungskräfte durchschnittlich sogar mehr als einen Monat pro Jahr. Das liegt auch daran, dass die Ursache für eine Krankschreibung bei ihnen besonders häufig Muskel-Skelett-Erkrankung ist, die zu sehr langen Ausfällen führt. Im Vergleich sehr selten melden sich Menschen in der Unternehmensführung und in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen krank, also beispielsweise (Wirtschafts-)Informatiker, Biologen oder Geologen.
Interaktive Grafik: Diese Berufsgruppen sind besonders von Ausfällen betroffen
Krankenstand seit 2021 deutlich gestiegen
Seit 2021 haben sich die Krankschreibungen, die bei den BKK-Krankenkassen eingegangen sind, deutlich erhöht. Das hat mehrere Gründe. In diesem Zeitraum wurde zum Beispiel die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) für Arztpraxen verpflichtend eingeführt. Das heißt, Krankschreibungen müssen seitdem nicht mehr extra vom Versicherten bei der Krankenkasse abgegeben werden, sondern werden automatisch übermittelt. Die Vollständigkeit der Daten nimmt also zu. Damit lässt sich laut Experten aber nur ein Teil des Anstiegs erklären.
Grafik: So haben sich die Krankschreibungen seit 2016 entwickelt
Einen sehr hohen Anteil bei den Arbeitsunfähigkeitstagen machen Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, also beispielsweise Rückenschmerzen oder Arthrose, aus. Die Werte bleiben allerdings seit Jahren stabil. Auch die psychischen Störungen und Verhaltensstörungen spielen eine große Rolle, da sie für lange Ausfallzeiten sorgen. Und: In den Daten der BKK ist ein kontinuierlicher Anstieg erkennbar.
Einen besonderen Sprung gab es bei den Krankheiten des Atmungssystems, hierzu zählen sowohl Corona- und Influenza-Infektionen wie auch der klassische Schnupfen.
Auch eine Untersuchung des Zentralinstituts kassenärztliche Versorgung (externer Link) zeigt: 58 Prozent der zusätzlichen AU-Fälle des Jahres 2022 und 41 Prozent der zusätzlichen AU-Fälle des Jahres 2023 seien durch akute Infektionen der Atemwege sowie Corona-Infektionen zu erklären.
Krankheiten des Atmungssystems machten auch 2024 in Bayern noch knapp 20 Prozent aller Krankentage aus.
Grafik: Entwicklung der Ausfalltage in Bayern je Krankheitsgruppe
BKK: Schulung von Führungskräften und Prävention wichtig
Den Einfluss der telefonischen Krankschreibung, die seit Dezember 2023 bei leichten Infekten möglich ist, schätzt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK-Dachverbands, eher gering ein: "Unsere Zahlen geben nicht her, dass die telefonische Krankschreibung schuld daran ist, dass wir plötzlich ein Volk der Krankmacher sind." Es gebe in den Daten keine Differenzierung, ob eine Krankschreibung per Telefon oder in der Arztpraxis stattgefunden hat. Es gebe also auch keine Grundlage für diese Behauptung.
Wichtig sei es, ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld zu schaffen, so Klemm. "In unseren Zahlen, die wir für Unternehmen machen, können wir zum Teil sogar nachverfolgen, wenn eine Führungskraft die Abteilung wechselt und die AU-Zahlen mit dieser Führungskraft mitwandern." Umso wichtiger sei es, dass Führungskräfte geschult sind und Präventionsmaßnahmen angeboten werden, die auf die Arbeitnehmenden zugeschnitten sind.
Im Video: Welche Krankheiten bestimmen den Krankenstand
Eine exklusive BR-Auswertung von Daten der Betriebskrankenkassen (BKK) zeigt, welche Krankheiten den Krankenstand bestimmen.
Dieser Artikel ist erstmals am 25.11.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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