Im Hundsmoor bei Hawangen schneidet Bauer Stefan Weinhardt einmal im Jahr den Bewuchs zurück. Andernfalls würde der Lebensraum für das seltene Blaukernauge, eine auch Riedteufel genannte Schmetterlingsart, hier verschwinden. Die ökologisch wertvolle Kulturlandschaft "würde verbuschen, wäre wieder Urwald, wenn man da über Jahre nichts pflegt", sagt Weinhardt.
"Kinder und Enkelkinder werden die nicht mehr sehen"
Zusammen mit mehreren Landwirten arbeitet der Landschaftspflegeverband am Projekt "Arche Noah" – für Geschäftsführer Jens Franke eine Generationenaufgabe: Es gehe "um 13 Tierarten und eine Pflanzenart, die sehr stark bedroht sind. Wenn wir deren Lebensräume nicht erhalten und miteinander vernetzen, werden die in wenigen Jahren im Unterallgäu nicht mehr vorkommen. Das heißt: Kinder und Enkelkinder werden die nicht mehr sehen", sagt er.
Wiesen dürfen bis September nicht gemäht werden
Zu diesen Arten zählen neben dem Riedteufel weitere Schmetterlinge, der kriechende Sellerie, der Kammmolch oder der Warzenbeißer, eine besonders große und imposante Heuschrecke. Auf einer Feuchtwiese bei Salgen gibt es die Art noch. Zum Überleben brauchen Warzenbeißer hohes Gras, das sie als Deckung nutzen, aber auch, "um sich an den Stengeln empor zu hangeln, wo sie dann versuchen, Weibchen anzulocken", sagt Landschaftspflegerin Andrea Schewe. All das funktioniere "nur auf Wiesen, die bis in den September hinein nicht gemäht werden oder zumindest nicht vollständig".
Landschaftspfleger fürchten Verlust von Lebensräumen
Gleiches gilt wenige Kilometer weiter auf einer Pfeifengraswiese, wo Schewe mit ihrer Kollegin Monique Flake mit Stangen in Signalfarben Gespinste von Raupen des Goldenen Scheckenfalters markiert, damit diese beim Mähen umfahren werden. "Diese Bereiche sind auf eine Pflege angewiesen. Wenn die Mittel gekürzt werden und wir diese Pflege hier nicht mehr durchführen können, würden sukzessive die Fläche mit Gehölzen und die Lebensräume verschwinden", sagt Flake.
Landschaftspfleger beklagen fehlendes Geld
Die Sorge ist berechtigt: Die bayerische Staatsregierung hat Einsparungen für den nächsten Haushalt angekündigt. Schon in diesem und im letzten Jahr seien die Fördergelder für Landschaftspflege und Naturparks mit bayernweit rund 60 Millionen Euro nur halb so hoch gewesen, wie sie laut den Landschaftspflegern hätten sein müssen, um die von der Staatsregierung selbst formulierten Ziele zu erreichen. Dazu zählen die Wiedervernässung von 55.000 Hektar Moor und Biotopverbünde auf 15 Prozent der Offenlandfläche.
Umweltministerium kritisiert den Bund
Das bayerische Umweltministerium verweist auf Anfrage nach Berlin: "Kürzungen des Bundes (...) seit dem Jahr 2024 haben zu einer Halbierung der Bundesmittel für Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes und der Landschaftspflege geführt", teilte eine Sprecherin dem BR mit. Rund sechs Millionen Euro jährlich vom Bund fehlten demnach seit dem letzten Jahr. Und die "derzeitige wirtschaftliche Ausgangslage" erlaube auch keine großen Ausgabensteigerungen beim Naturschutz von Länderseite, heißt es aus dem Ministerium.
"Wir haben gar keine andere Möglichkeit"
Für Landschaftspfleger Jens Franke gibt es nur eine fatale Konsequenz: "Die Pflege in diesen Hotspots der Biodiversität muss reduziert werden", sagt er. Und: "Wir haben gar keine andere Möglichkeit, weil die Leute, die die Arbeit machen, wollen ja schließlich auch ein bisschen Geld dafür haben, müssen ja auch Familien ernähren."
Bauer Stefan Weinhardt bekommt zwar einen finanziellen Ausgleich für seine Arbeit im Hundsmoor. Er sieht aber auch einen Wert an sich in der Pflege dieser Kulturlandschaft. "Wenn man da vorbeifährt", sagt er, "und sieht, dass das gepflegt wird, das ist jeden Herbst für mich schön zu sehen: Da haben wir was gemacht". Wie es aber mit der Finanzierung der Landschaftspflege und von Projekten wie Arche Noah in den kommenden Jahren weitergeht, ist derzeit: unsicher.
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