Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht das vorzeitige Ende eines Hilfsfonds für Missbrauchsopfer vor. Rückwirkend laufen nach dem 19. März gestellte Anträge ins Leere. Opfer sprechen von einer Retraumatisierung.
Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht das vorzeitige Ende eines Hilfsfonds für Missbrauchsopfer vor. Rückwirkend laufen nach dem 19. März gestellte Anträge ins Leere. Opfer sprechen von einer Retraumatisierung.
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Der Bundesregierungshaushaltsentwurf sieht das vorzeitige Ende eines Hilfsfonds für Missbrauchsopfer vor. Opfer sprechen von Retraumatisierung.
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Der Bundesregierungshaushaltsentwurf sieht das vorzeitige Ende eines Hilfsfonds für Missbrauchsopfer vor. Opfer sprechen von Retraumatisierung.

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Missbrauchsopfer: Rückwirkend Antragsstopp für staatliche Hilfen

Missbrauchsopfer: Rückwirkend Antragsstopp für staatliche Hilfen

Der staatliche "Fonds sexueller Missbrauch" steht vor dem Aus. Rückwirkend laufen nach dem 19. März gestellte Anträge ins Leere. Missbrauchs-Opfer schlagen Alarm und sprechen von einer Retraumatisierung.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Für Matthias Katsch vom Eckigen Tisch e. V. ist es ein bisschen so wie damals – ein Gefühl von Ohnmacht und Ausgeliefertsein. Als 12-Jähriger ist er von zwei Priestern missbraucht worden. "Ich bin sexuell missbraucht worden von dem einen und von dem anderen sadistisch gequält, geschlagen worden", erklärt er gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers. Fast 30 Jahre lang hat er das mit sich rumgetragen, bis er verstanden hat, dass er nicht der Einzige war. "Und dann hat es nochmal ein paar Jahre gedauert, bis ich angefangen habe, darüber zu sprechen", berichtet er weiter. Doch jetzt kommt wegen der Entscheidung der Bundesregierung dieses Ohnmachts-Gefühl wieder hoch.

Fonds läuft aus

Matthias Katsch hat einen Antrag für eine Therapie gestellt, dafür gab es seit 2013 finanzielle Unterstützung aus dem staatlichen "Fonds Sexueller Missbrauch".

Im März wurde bekannt, dass der Fonds auslaufen soll. Bisher war von Ende August die Rede. Der Bundesrechnungshof hatte kritisiert, dass Hilfen aus dem Fonds oftmals ohne klare zeitliche Vorgaben ausgezahlt würden. Jetzt teilt die Bundesregierung mit, dass wegen eines erhöhten Antragsaufkommens nur noch bis zum 19. März dieses Jahres eingegangene Erstanträge bewilligt werden. Betroffene sind verzweifelt und schlagen Alarm.

"Für die Menschen absolute Katastrophe"

Therapeuten wie Sarah Seifarth sind sprachlos. Beim Verein Wildwasser e. V. in München berät sie Mädchen und Frauen, die in ihrer Kindheit und Jugend sexuell missbraucht wurden. "Dass die Opfer erst die Kraft aufgebracht haben, diesen Antrag zu stellen, und jetzt erfahren, dass das keinen Erfolg hat und sie keinen positiven Bescheid bekommen, ist für diese Menschen absolute Katastrophe."

"Das Geld reicht eben nicht mehr"

Zuständig für den Fonds ist Bundesfamilienministerin Karin Prien. Gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers erklärt sie, dass der Antragsstopp rückwirkend verfügt worden sei, weil kein Geld mehr da wäre: "Diese Mitteilung, dass das so sein würde, haben wir allerdings auch erst sehr kurzfristig vor zwei oder drei Wochen erhalten, und dann reicht das Geld eben nicht mehr." Doch die CDU-Politikerin versichert den Betroffenen, "dass ich mich dafür einsetzen werde, dass wir da eine Lösung finden. Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahresende eine rechtliche Konstruktion zu entwickeln und dann ist es noch immer eine Aufgabe, die entsprechenden Mittel einzuwerben." Aber bis zum Jahresende ist für die Betroffenen eine lange Zeit.

"Es ist beschämend"

Hans Joachim Schöttler hofft auf eine schnelle Lösung. Er hat im April seinen Antrag gestellt. Auch der soll jetzt nicht mehr bewilligt werden: "Wir waren geschockt. Wir waren deprimiert. Wieder ein Schlag für die Betroffenen." Schöttler ist als achtjähriger Ministrant in der katholischen Kirche missbraucht worden. Anschließend wurde er in eine Klinik bei Augsburg geschickt – und auch dort missbraucht. "Ich konnte mich an keinen wenden zu der damaligen Zeit, Anfang der 70er Jahre. Kein Mensch hätte dir geglaubt, ein Vater, eine Mutter nicht. Der Einzige, der mir geglaubt hat, war mein Großvater", erzählt er in Kontrovers und kämpft mit den Tränen.

Nun fühlen sich Betroffene wieder alleingelassen. Es bleibe das Gefühl zurück, ein Spielball der Politik zu sein: "Es ist traurig. Es ist beschämend", sagt Hans Joachim Schöttler.

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