Noch stehen die Lifte still, erst Anfang Dezember startet das überregional beliebte Skigebiet am Fellhorn in die neue Saison. Doch im Oberallgäu wird schon für die Zeit danach geplant. Die alte Scheidtobelbahn soll durch einen modernen Sechser-Sessellift ersetzt werden.
Das Besondere: Das geplante Bauvorhaben betrifft zwar Naturschutzgebiet, muss aber nicht von Umweltverbänden geprüft werden. Ein erster Testfall für das umstrittene dritte bayerische Modernisierungsgesetz, das Genehmigungsverfahren entbürokratisieren soll.
Nach BR-Recherchen wird für den geplanten Neubau der Scheidtobelbahn erstmals keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mehr durchgeführt – eine direkte Folge der Gesetzesänderung, die seit dem 1. August in Bayern gilt.
UVP entfällt erstmals nach neuem Gesetz
Seit der Reform gelten höhere Schwellenwerte für eine UVP. Der geplante Sessellift am Fellhorn soll rund 1.430 Meter lang sein und liegt damit neuerdings unterhalb der Schwelle von 1.500 Metern, ab der eine UVP weiterhin vorgeschrieben wäre. Eine solche Prüfung soll per Gesetz sicherstellen, dass bei größeren Bauvorhaben die Auswirkungen auf Natur und Landschaft frühzeitig transparent gemacht und Umweltverbände beteiligt werden. Ohne eine UVP haben Umweltverbände kein automatisches Mitspracherecht. Zuständige Behörden müssen ihre Stellungnahmen nicht berücksichtigen.
Scheidtobel: Lebensraum bedrohter Arten
Steffen Reich vom Deutschen Alpenverein hält es für problematisch, dass bei dem Projekt am Fellhorn keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist. Es könne nicht sein, dass darauf verzichtet werde, nur weil die Seilbahn etwas zu kurz sei.
Der DAV-Experte weist darauf hin, dass das Projekt das Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen betrifft, das gleichzeitig als europäisches Schutzgebiet nach Natura 2000, also FFH- und Vogelschutzgebiet, ausgewiesen ist. Der Scheidtobel ist unter anderem wichtiger Lebensraum des bedrohten Birkhuhns. Reich befürchtet, dass Ämter künftig weniger Aufwand betreiben werden, um Naturschutzverbände einzubinden, weil es keine gesetzliche Verpflichtung mehr dafür gibt.
Umweltverbände jetzt in der Holschuld
Die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) weist darauf hin, dass Umweltverbände am Fellhorn weiterhin Einsicht in die Unterlagen erhalten können. "Bisher mussten wir proaktiv informieren. Jetzt müssen sie sich ihre Informationen aus den Gemeinderäten oder Stadträten holen", sagt Baier-Müller. Die Landrätin betont, ihr sei ein Miteinander auf Augenhöhe mit den Umweltverbänden wichtig. Gleichzeitig verweist sie darauf, dass die zuständigen Fachbehörden selbst über die nötige Expertise verfügten, um Umweltbelange angemessen zu prüfen.
Thomas Frey vom Bund Naturschutz kritisiert, dass Umweltverbände in der Holschuld seien, um sich über Projekte wie die Scheidtobelbahn zu informieren. "Für uns ist das mehr Bürokratie anstatt weniger", sagt Frey. Der Umweltschützer betont, die Natur sei ein öffentliches Gut – kein Wirtschaftsgut eines Unternehmens. Deshalb müsse die Öffentlichkeit nachvollziehen können, was geplant sei.
Die Antragsunterlagen, die dem BR vorliegen, wurden im Herbst 2025 beim Landratsamt Oberallgäu eingereicht. Johannes Krieg, Geschäftsführer der Fellhornbahn, hebt hervor, dass Umweltverbände vor Ort noch nach alter Gesetzgebung von den Plänen informiert wurden. Ende 2024 hatte zudem ein sogenannter Scoping-Termin zur inhaltlichen Vorbereitung mit lokalen Vertretern von Umweltverbänden stattgefunden.
Keine neue Pistenerschließung geplant
Im Zuge der Modernisierung der Scheidtobelbahn soll die benachbarte Bierenwangbahn zurückgebaut werden. Im Skigebiet sollen somit nicht mehr Leute transportiert werden als bislang. "Unser Ziel ist nicht, mehr Gäste überall hinzubekommen, sondern sie besser lenken zu können", sagt Geschäftsführer Krieg. Neue Pistenflächen will der Betreiber nicht erschließen, Pisten sollen vielmehr "angepasst" werden, das ist teilweise mit Begradigungen und Verbreiterungen verbunden. Das Skigebiet soll dadurch anfänger- und familienfreundlicher werden. An einer Piste, der "Oberen Familienabfahrt", wird bereits gebaut.
Wann die Bauarbeiten für die Modernisierung der Scheidtobelbahn beginnen, ist noch offen. Erste naturschutzfachliche Gutachten im Auftrag des Seilbahnunternehmens wurden bereits eingereicht und werden jetzt vom Landratsamt geprüft.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
