Peter Deppisch wirkt entspannt. Äußerlich zumindest. Er versorgt das Team von der Schreinerei und auch die Arbeiter am Kranwagen mit belegten Brötchen. Die Arbeiter bauen gerade den Kirchturm der Nikolauskapelle ab. Seit dem Blitzeinschlag am Montag dreht sich in dem kleinen Dorf Eßfeld im Landkreis Würzburg vieles um die Nikolauskapelle und ihren Turm. Vor allem, ob der Turm einsturzgefährdet ist oder nicht, das war lange unklar.
Unsicherheiten über die Stabilität des Turms
Zimmerermeister Joachim Sieber sagt, am Donnerstagabend nach dem Unwetter stand er auf dem Gerüst, oben ganz nah neben dem Turm und da sieht er sofort: Der Turm muss dringend runter: "Die obere Turmspitze, die war von dem eigentlichen Unterteil des Turms quasi getrennt, die war nur noch an ein paar Fäden gehangen". Und ihm ist klar: Ein größerer Windstoß und der Turm fällt unkontrolliert auf die kleinen Straßen, die rund um die Kapelle aus dem 11. Jahrhundert verlaufen.
Und dann geht alles ganz schnell. Keine 24 Stunden später steht ein Autokran neben der Kirche, steht Joachim Sieber mit seinem Team wieder auf dem Gerüst neben der Kirchturmspitze und rüstet den Turm ein, nagelt noch Holzplatten an den Turm, damit er stabil ist. Eigentlich ist der Plan, den Kirchturm als ganzes vom Dach zu heben. Doch Joachim Sieber merkt schnell: Das geht so nicht.
Wie eine Familie den Blitzeinschlag erlebt hat
Einige Menschen aus Eßfeld sind da an diesem Tag und schauen zu, wie der Kirchturm abgebaut wird. Unter ihnen ist auch Familie Körner, sie wohnt direkt neben der Kapelle. Tochter Lena erzählt, als der Blitz an jenem Montagabend in den Kirchturm einschlug, waren sie gerade beim Abendessen, "und als wir dann aus dem Fenster geschaut haben, haben wir gesehen, es hat die Kapelle erwischt und der Turm war komplett kaputt". Es dauert ein paar Augenblicke, dann kommt Rauch aus dem Turm. Familie Körner und andere Nachbarn rufen die Feuerwehr. Wiederum ein paar Augenblicke später sehen sie die ersten Flammen. Der Kirchturm brennt.
Später erst werden sie sehen, der Kirchturm ist innen komplett aus dicken Holzbalken gebaut und mit Querstreben stabilisiert. Außen am Holz sind Schindeln aus Schiefern aufgenagelt.
Der brennende Kirchturm in Eßfeld
Der Brand und die Rettungsaktion der Feuerwehr
"Es hat sich so angefühlt, als Notre-Dame gebrannt hat in Paris und mir ging es dann fast genauso", sagt Marco Lesch. Der Eßfelder hat vor fünf Jahren schon mitgeholfen, die Kapelle zu sanieren. Und er ist es auch, der am Abend des Brandes sofort mit dem Schlüssel zur Kapelle eilt und aufschließt. Die Feuerwehr rettet dann alle Gegenstände aus der Kirche, während oben aus dem Kirchturm die Flammen schlagen.
Erinnerungen an die Sanierung vor fünf Jahren
Viele Menschen aus Eßfeld haben bei der Sanierung mitgemacht, erzählt Marco Lesch. Er hatte damals, 2020, selbst mitgeholfen eine Kugel und ein Kreuz auf die Kirchturmspitze zu stecken. Am Abend des Brandes montiert die Feuerwehr eben jene Kugel und eben jenes Kreuz wieder ab. Er hätte nie gedacht, sagt er, die Kugel wieder so schnell in der Hand zu haben.
Viele in Eßfeld hängen an der Kapelle. Bei den Renovierungen haben sie nachgeforscht und eine Analyse hat ergeben: Die Kapelle ist noch älter als gedacht, sie stammt aus dem 11. Jahrhundert. Die kleine Kapelle war wohl Teil einer Burganlage, ein Brunnen unter der Straße, gebaut aus Bruchsteinen, ist heute noch enthalten. Und an einem Anwesen sind noch Steine einer alten Mauer, erzählen Anwohner.
Der komplexe Abbau des Turms
Den Turm als ganzes vom Dach zu heben, funktioniert aber nicht. Also wird er in zwei Teilen vom Dach geholt. Erst die Spitze, dann der Rest, der im Dach eingebaut ist. Und auch die beiden Glocken hebt der Autokran langsam und sorgfältig aus dem Dach. Es wirkt routiniert, Joachim Sieber wirkt entspannt, Peter Deppisch wirkt entspannt. Und auch Kranfahrer Artem Grass hat ganz ruhige Hände, obwohl es hier auf jeden Millimeter ankommt. Dafür brauche er "höchste Konzentration", so sagt er es, "es ist schon schwierig". Der Turm wiege immerhin zwei Tonnen.
Herausforderungen für die Zukunft: Ein neuer Turm soll her
Joachim Sieber und sein Team transportieren dann alles ab und lagern es erstmal. Und die nächste Herausforderung steht für Kirchenpfleger Peter Deppisch schon parat: Ein neuer Turm soll her. Doch da gibt es noch einige Fragezeichen, unter anderem die Finanzierung. Die Kirche sei gegen Feuer versichert, und sie hätten eine Nachricht vom Landkreis, "die vielleicht ein bisschen was dazugeben könnten und die Kirche." Auch der Pfarrer habe gesagt, vielleicht gibt es da etwas Geld dafür und man wolle jetzt natürlich auch eine Spendenaktion machen. Wie viel der neue Turm kosten könnte, ist noch offen.
Alle hier an diesem Tag sind sich einig: eigentlich ist der Turm ein Wahrzeichen von Eßfeld. Und eigentlich hätten sie auch gerne einen neuen Turm. Doch wann der neue Turm kommen wird und wie er letztendlich bezahlt wird, das weiß hier noch keiner.
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