Die Debatte war festgefahren: Über Monate zog sich der Streit von Bayerns Wirtschafts- und Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit Landwirtschafts- und Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) über ein neues Jagdgesetz – auch öffentlich. Aus Koalitionskreisen war schon vor Wochen vom wachsenden Unmut des Ministerpräsidenten zu hören, vergangene Woche sorgte Markus Söder (CSU) für eine Einigung zwischen Ministerien und Fraktionen, der nun auch das Kabinett zugestimmt hat.
Laut Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) soll das neue Gesetz "ausgewogen" die Interessen von Waldbesitzern, Jägerschaft und Gesellschaft berücksichtigen, die Eigenverantwortung vor Ort stärken und für weniger Bürokratie sorgen.
Abschusspläne: Mehr Freiheit vor Ort
Erster Streitpunkt: die Abschusspläne für Rehwild. Damit legen Behörden fest, wie viele Tiere zum Schutz des Waldes geschossen werden müssen. Denn zu viele Rehe in einem Revier fressen die Jungbäume ab und verhindern so den Aufwuchs von klima-angepassten Mischwäldern. Aiwanger drängte darauf, dass die Abschusspläne wegfallen können, Kaniber wollte an ihnen festhalten.
Die Lösung: Grundsätzlich bleiben die Pläne, doch die in einer Jagdgenossenschaft zusammengeschlossenen Waldbesitzer können unter bestimmten Voraussetzungen einen Verzicht darauf beschließen. Das gilt auch in "roten Waldgebieten", in denen Rehe zu viele junge Bäume verbeißen. Allerdings sind dort die Hürden höher. Aiwanger lobt die größere Freiheit. Kaniber verweist darauf, dass in roten Gebieten nach einigen Jahren ein Abschussnachweis zur Pflicht werde.
Jagdverband zufrieden
Die Vizechhefin des Bunds Naturschutz, Beate Rutkowski, kritisiert auf BR-Anfrage den Kompromiss als "unverantwortlich". Der in der Klimakrise so wichtige Umbau der bayerischen Wälder werde unnötig weiter erschwert. "Wir sind enttäuscht, dass sich die Staatsregierung damit vom Grundsatz 'Wald vor Wild' ein Stück weit verabschiedet hat."
Dagegen dankt der Präsident des Bayerischen Jagdverbands und Ex-CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch dem Ministerpräsidenten dafür, dass er "den Vorschlag des Jagdministers übernommen und der Forstministerin gesichtswahrend kosmetische Korrekturen zugestanden hat". Zufrieden zeigt sich auch der Bayerische Waldbesitzerverband: Die Eigenverantwortung werde grundsätzlich gestärkt.
Wolf kommt ins Jagdgesetz
Zweiter Streitpunkt: Wann dürfen Rehe geschossen werden? Hier sieht der Kompromiss vor, dass die Jagd auf bestimmte Tiere schon ab Mitte April statt erst ab Anfang Mai möglich wird. Eine Verlängerung über den 15. Januar hinaus kommt dagegen nicht. Für den Waldbesitzerverband ein erster Schritt in die richtige Richtung. Eine zentrale Forderung bleibe aber eine verlängerte Jagdzeit vom 1. April bis 31. Januar.
Auch neu: Wolf und Goldschakal werden ins Jagdgesetz aufgenommen. Dass soll für mehr Rechtssicherheit sorgen und es erleichtern, Wölfe zum Schutz von Weidetieren abzuschießen. Allerdings müsste dafür der Bund das Naturschutzgesetz ändern und den Schutzstatus des Wolfes senken. Rutkowski vom Bund Naturschutz betont: Da der Wolf in Bayern "weit entfernt" sei von einem günstigen Erhaltungszustand, dürfe er auch in Zukunft nicht einfach bejagt werden.
Aiwanger: "Emotionales Thema"
Beim Jagdrecht prallen Interessen sehr unterschiedlicher Gruppen aufeinander: der Jäger, der Waldbesitzer, der Naturschutzverbände. Aiwanger spricht von einem "emotionalen Thema". Nach der Landtagswahl 2023 war die Zuständigkeit für die Jagd aus dem Landwirtschaftsministerium herausgelöst worden, um sie Aiwangers Wirtschaftsministerium zuzuschlagen.
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung über rechtliche Fragen spielte in der Debatte auch das angespannte persönliche Verhältnis zwischen Aiwanger und Kaniber eine Rolle. Die Forstministerin warf ihrem Kabinettskollegen im Frühjahr einen "Schnellschuss" vor und mahnte, es dürfe "kein Gesetz von Jägern für Jäger" sein. Bei Aiwanger sei offenbar noch nicht ganz angekommen, "dass wir uns mit dem Wald in einer Klimakrise befinden". Aiwanger wiederum beklagte, die CSU wolle ihm "eins mitgeben" und verschleiern, dass sie jahrelang kein Gesetz zustande gebracht habe.
Aiwanger will schnell liefern
Laut Kaniber hat der Ministerpräsident den "gordischen Knoten durchschlagen" und die Standpunkte beider Ministerien "zusammengeführt". Die Einigung sei ein "Geben und Nehmen". Der Jagdminister werde jetzt den Gesetzesvorschlag schreiben.
Aiwanger selbst betont, er habe den Gesetzentwurf fertig, es müssten nur "ein paar kleine Änderungen" vorgenommen werden. Er könne den Entwurf "in wenigen Tagen einreichen".
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