Jäger und Waldbesitzer im Clinch – das ist nichts Neues. Junge Bäume im Wald können oft nur wachsen, wenn sie durch einen Zaun oder Wuchshüllen geschützt werden, ansonsten frisst sie das Rehwild ab. Zäune wären verzichtbar, würden die Jäger mehr schießen, klagen Waldbesitzer regelmäßig. Die Jäger kontern: wir schießen genug! Ein neues Jagdgesetz soll das Problem lösen, doch es gibt bereits im Vorfeld Kritik.
Weniger Vorschriften beim Rehwildabschuss
Bislang liegt nur ein Eckpunktepapier vor, der zuständige Minister Hubert Aiwanger (FW) will in Kürze einen Gesetzesvorschlag präsentieren. Schon jetzt ist klar: es soll mehr Eigeninitiative und weniger Vorschriften beim Abschuss von Rehen geben. Allerdings pocht Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) darauf: "Freiheit kann nur dort eine Lösung sein, wo das Zusammenspiel von Jagd und Wald gelingt." Tatsache ist: Vielerorts gelingt es bisher nicht.
Keine verpflichtenden Abschusspläne mehr
Grundlage für den Abschuss von Rehen ist das "Forstliche Gutachten". Der Jagdverband hat das in der Vergangenheit heftig kritisiert und die Abschaffung gefordert, doch es bleibt. Seit 1986 werden in den bayerischen Wäldern alle drei Jahre Erhebungen über den Wildverbiss gemacht. Daran orientieren sich die Abschusspläne, die von den Kreisjagdbehörden an den Landratsämtern erstellt werden - in Bayern für rund 12.700 Jagdreviere.
Jagdreviere: Rote und grüne Gebiete
In grünen Gebieten mit wenig Wildverbiss können die Grundeigentümer, also die Mitglieder einer Jagdgenossenschaft, künftig selbst entscheiden, ob sie bei dem bestehenden Verfahren (behördlicher Abschussplan) bleiben oder selbst über die Höhe des Abschusses entscheiden. Voraussetzung ist ein jährlicher gemeinsamer Waldbegang der Jäger und Waldbesitzer. Bei roten Jagdrevieren mit viel Wildverbiss muss zudem der Jagdbehörde ein Jagdkonzept vorgelegt werden. Derzeit ist rund die Hälfte der bayerischen Reviere rot.
Geschlitzte Reh-Ohren als Beweismittel
Schon jetzt kritisieren viele Waldbesitzer, die Jäger würden ihre jährlichen Abschusslisten zwar ausfüllen, aber kaum eine Jagdbehörde würde kontrollieren, wie viele Rehe wirklich erlegt wurden. Deshalb wurde bereits in der Vergangenheit der Ruf nach einem "körperlichen Nachweis" immer lauter, der so aussehen kann: Der Jäger muss jedes erlegte Reh bei einem Mitglied der Jagdgenossenschaft vorzeigen, dann werden die Ohren abgeschnitten oder geschlitzt, damit das tote Reh nicht nochmal vorgezeigt werden kann. Viele Jäger empfinden diesen körperlichen Nachweis als Misstrauensvotum, es gibt ihn bisher nur in sehr wenigen Jagdgenossenschaften. Dort hat man jedoch gute Erfahrungen damit gemacht. Das Argument der Waldbesitzer: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Körperlicher Nachweis wird Pflicht
In roten Gebieten soll der körperliche Nachweis in Zukunft verpflichtend werden. Christian Kaul vom Bayerischen Waldbesitzerverband schreibt auf Anfrage von BR24: "Wir sehen darin eine ganz wichtige vertrauensbildende Maßnahme und keine Sanktion. Wir empfehlen unseren Mitgliedern daher grundsätzlich, auf die Einführung eines körperlichen Nachweises hinzuwirken." Auch Forstministerin Michaela Kaniber begrüßt das: "Dieser Abschussnachweis wird erstmalig gesetzlich verankert und das ist gut so."
Bund Naturschutz: "Das ist zu spät!"
Felix Hälbich vom Bund Naturschutz dagegen kritisiert: "Der körperliche Nachweis kommt – wenn überhaupt – erst 2031. Das ist zu spät! Außerdem soll der Nachweis des Abschusses erst kommen, wenn bei Rot eine Befreiung vom Abschussplan kommen soll, aber nicht generell." Tatsächlich ist geplant, den körperlichen Nachweis erst zur Pflicht zu machen, wenn ein Jagdrevier bei den forstlichen Gutachten 2028 und 2031 als rot eingestuft wird. Der Bayerische Jagdverband wollte auf die Anfrage von BR24, was er von einem verpflichtenden körperlichen Nachweis hält, derzeit keine Stellungnahme abgeben.
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