Vor dem Landgericht Bamberg muss sich eine 33-jährige Pflegemutter wegen Totschlags verantworten. Ihr wird vorgeworfen, ihr knapp 21 Monate altes Pflegekind im Dezember 2024 so heftig geschüttelt zu haben, dass das Mädchen zwei Tage später an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas verstarb. Die 33-Jährige befindet sich seit einem knappen Jahr in Untersuchungshaft.
Totes Pflegekind: Anwältin verliest Erklärung der Angeklagten
Die Angeschuldigte, die in Fußfesseln in den Verhandlungssaal geführt wurde, äußerte sich nicht selbst, sondern ließ ihre Anwältin eine Erklärung verlesen. Darin zeigte sie sich erschüttert von den Vorwürfen und wies sie von sich. Sie und ihr Ehemann hätten einem Kind ein Zuhause geben wollen und seien nach der Verhaftung verzweifelt gewesen.
Das 21 Monate alte Mädchen habe sie am 8. Dezember ins Kinderbett gelegt, woraufhin es zu weinen begonnen habe. Als sie es wieder auf den Arm genommen habe, sei es leblos geworden. Ihr Mann habe mit Reanimationsmaßnahmen begonnen und den Notruf gewählt. "Ich habe ihr nichts angetan", sagte die Anwältin im Namen ihrer Mandantin.
Äußerungen sollen nicht zu Verletzungen passen
Das Mädchen wurde im Haus in Burgebrach im Landkreis Bamberg vom Rettungsdienst und einem Notarzt behandelt und dann in die Kinderklinik gebracht. Beim Prozess sagte ein Polizist aus, der Kriminaldauerdienst sei von einer Ärztin in dieser Nacht darüber informiert worden, dass die Verletzungen des Kindes nicht zu den Äußerungen der Pflegeeltern passen würden.
Was genau die Pflegeeltern an jenem Abend angegeben haben, ist bisher nicht klargeworden. Laut Anklageschrift hatte die Beschuldigte um die Folgen starken Schüttelns für ein Kleinkind naturgemäß gewusst, diese jedenfalls billigend in Kauf genommen.
Videoaussage bringt neue Fakten
Am Ende des ersten Verhandlungstags folgte dann noch eine Überraschung: Der Verteidiger übergab einen Stick mit einer Videovernehmung der Angeklagten, die kurz nach dem Tod des Mädchens stattgefunden haben muss. Darin äußerte sich die damals 32-jährige Pflegemutter über einen Vorfall an jenem verhängnisvollen Abend. Demnach hatte sie das Mädchen an das Gitterbett gestellt, wo es sich festhielt, damit sie die Decke aufschütteln konnte.
Das Mädchen habe plötzlich die Stäbe losgelassen und sei im Fall gewesen, da habe die Pflegemutter sie mit beiden Händen noch aufgefangen, bevor ihr Kopf auf den Parkettboden knallen konnte. "Das war vielleicht zu ruckartig", räumte sie ein. Auf ihrem Arm sei das Kind dann verkrampft, habe sich erbrochen und sei in sich zusammengesackt.
Im Vernehmungsvideo ist auch zu sehen, dass die Pflegemutter gegen eine Meldeauflage von einem wöchentlichen Besuch bei der Polizeiwache nicht in Untersuchungshaft genommen wurde. Warum sie wenige Tage später doch festgenommen wurde, war beim ersten Verhandlungstag kein Thema.
Pflegevater schweigt
Die zwei weiteren Pflegekinder der Familie im Kindergartenalter hat das Jugendamt in Obhut genommen. Der Pflegevater war anfangs ebenfalls in Untersuchungshaft gekommen, der Verdacht gegen ihn hatte sich allerdings nicht verhärtet. Er macht beim Prozess gegen seine Ehefrau von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und schweigt.
Tränen bei leiblicher Mutter
Die leibliche Mutter des getöteten Kindes tritt als Nebenklägerin auf. Im Gerichtssaal wischte sie sich immer wieder Tränen von den Wangen, vor allem, nachdem die Richterin Fotos ihrer Tochter in der Kinderintensivstation zeigte. Darauf sind mehrere Hämatome zu erkennen, unter anderem an der Stirn des Mädchens.
Das verstorbene Mädchen war rund drei Wochen vor seinem Tod zu den Pflegeeltern gekommen. Das Mädchen soll in seiner Entwicklung verzögert gewesen sein, heißt es in der Anklageschrift. Die Angeklagte und ihr Ehemann hätten keine eigenen Kinder bekommen können und sich anstelle von Adoption eines Kindes dazu entschieden, Pflegeeltern zu werden. Mit dem kleinen Mädchen seien sie komplett und glücklich gewesen. Die Angeklagte wirkte am ersten Verhandlungstag gefasst und konzentriert.
Die Strafkammer des Landgerichts Bamberg hat insgesamt sechs Verhandlungstage angesetzt, den letzten am 5. Dezember.
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