Wer ist der Künstler, wer der Eigentümer? Wann haben die Besitzer gewechselt? Gehörte das Bild vielleicht jüdischen Mitbürgern, die von den Nazis enteignet wurden? Das Passauer Oberhausmuseum setzt jetzt auf Hinweise aus der Bevölkerung und stellt deshalb vermutliche Raubkunst als Plakate in der Fußgängerzone aus.
Kaum Dokumente zu älteren Kunstwerken
Schauplatz Oberhausmuseum. Anke Gröner zeigt auf eine Zeichnung. Zu sehen sind mehrere Personen um einen Tisch: "Wir können das Bild auf 1925 datieren, kennen den Künstler. Signatur und Widmung sind aber leider nicht lesbar". Recht viel mehr ist nicht bekannt. Gröner ist Provenienzforscherin. Sie untersucht die Herkunft von Kulturobjekten. Die Schwierigkeit: zu Kunstwerken, die älter als 80 Jahre sind, gebe es kaum Dokumente. Die Vermutung bei der gezeigten Zeichnung: Nationalsozialisten haben sie geraubt.
"68 Werke stammen ziemlich sicher aus Raubgut"
Das Passauer Oberhausmuseum hat Tausende Kunstschätze in seinem Depot. Laut Museumsleiterin Stefanie Buchhold sei bei 68 Werken ziemlich sicher bekannt, dass sie NS-Raubgut sind: "Das Museum verzeichnete zwischen den Jahren 1933 bis 1945 noch viele andere Objektzugänge. Deutlich über 1.000, die wir uns alle anschauen müssen." Provenienzforschung sei allerdings eine sehr kleinteilige und zeitintensiv Wissenschaft. Deshalb soll die Bevölkerung miteingebunden werden.
Blickfang: Kunstwerke auf Kistenstapel
Ortswechsel. Am Eingang der Fußgängerzone steht ein Stapel aus Kunsttransportkisten, auf dem zwei Kunstwerke plakatiert sind. Eines der beiden Gemälde zeigt einen jungen Mann in Uniform. Darunter steht in großen gelben Lettern: "Kennen Sie diesen Mann". Grüner: "Ich würde selber gerne wissen, wen wir hier haben. Wir hoffen, dass die Leute das Bild wahrnehmen und Hinweise geben können." Tatsächlich: Etliche Passanten bleiben interessiert stehen. Einige zücken ihr Handy und holen sich über einen QR-Code die vorhandenen Infos zum Kunstwerk und zur Website des Projekts. Vielleicht, so Grüner, wissen oder recherchieren Hobbydetektive Datenbanken oder Fotografien, die dem Museum nicht bekannt sind.
Identifizierung von Raubkunst als Verpflichtung
Raubkunst identifizieren sei für die Stadt Passau kein "nice to have", sondern mehr eine ethisch-moralische Verpflichtung, betont Kulturreferent Bernhard Forster. "Begangenes Unrecht können wir nicht mehr gut machen. Aber wenn wir rausfinden, wem diese Kulturgüter gehören, ist es vollkommen klar, dass wir sie den ehemaligen Eigentümern oder rechtmäßigen Erben zurückgeben." Bereits vor zwei Jahren gab die Stadt Passau zwei Gemälde, die aus jüdischem Besitz in Paris stammen und während des Zweiten Weltkriegs als NS-Raubkunst im Oberhausmuseum gelandet waren, an die rechtmäßigen Eigentümer in Frankreich zurück.
Interesse ist geweckt
Noch bis November sind vermutliche Raubkunst-Gemälde auf dem vielfrequentierten Ludwigsplatz am Eingang der Fußgängerzone zu sehen. Jeweils zwei Plakate, die alle drei Wochen gewechselt werden. Die Aktion "Gehört das Ihnen?" läuft vielversprechend an, so eine Museumssprecherin zum BR. Zumindest gebe es zahlreiche Zugriffe auf die Projektwebsite. Jetzt hoffe man auf die ersten "sachdienliche Hinweise."
Im Video: Provenienzforschung im Bürgerdialog beim Passauer Oberhausmuseum
NS-Raubkunst oder nicht? Um das bei einer Reihe von Kunstwerken herauszufinden, bittet das Oberhausmuseum in Passau die Bevölkerung um Hilfe.
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