Der 11. November ist für viele Familien in Bayern vor allem eines: Laternenumzug, Feuer, Reiter im roten Mantel, Martinsgans. Zugleich erinnert der Tag an Martin von Tours, einen Offizier des Römischen Reiches, der der Überlieferung nach seinen Mantel mit einem Bettler teilte und später Bischof wurde.
Wer war Martin von Tours?
Martin wird um 316/317 im heutigen Ungarn geboren, dient in der römischen Armee und ist im nordfranzösischen Amiens stationiert. Dort teilt er laut der frühchristlichen Schrift "Vita Sancti Martini" seinen Mantel mit einem frierenden Mann. Diese Szene wird zum Kern der Martinslegende.
Später verlässt Martin das Militär, lässt sich taufen und wird 372 zum Bischof von Tours geweiht. Der Martinstag am 11. November geht auf seinen Bestattungstag im Jahr 397 zurück. Von dort aus verbreitet sich sein Kult in ganz Europa.
Warum der 11. November im Kalender auffällt
Früh wird der Termin zu einem festen Punkt im Jahr: Ende der Ernte, Abrechnung von Pacht und Diensten, Beginn einer vorweihnachtlichen Fastenzeit in Teilen der Christenheit. Historiker sehen hier die Wurzeln dafür, dass der Martinstag eng mit Essen, Feiern und sozialem Ausgleich verbunden ist.
Dass Martin nicht als Märtyrer stirbt, sondern als angesehener Bischof, macht ihn zu einer politischen Figur seiner Zeit: Er steht für Armenhilfe, Volksfrömmigkeit und kirchliche Autorität. Das erklärt, warum sein Name früh von Herrschern aufgegriffen und sein Mantel als Reichssymbol verehrt wurde.
Laternenumzüge: Zwischen Religion und alten Ritualen
Heute prägen in Bayern vor allem Laternenumzüge das Bild. Kindergärten, Schulen, Pfarreien und Städte organisieren Umzüge mit gebastelten Laternen, oft mit Reiterfigur und nachgespielter Mantelteilung, häufig ökumenisch oder bewusst offen für alle Familien.
Die Laternenumzüge knüpfen an alte spätherbstliche Feuer- und Lichtbräuche an, mit denen der Beginn der dunklen Jahreszeit markiert wurde. Auf dem Land war der Martinstag lange ein wichtiger Termin, weil Ernte und Wein eingebracht waren und Knechte und Mägde ihren Lohn erhielten.
Einige Kommunen verbinden die Umzüge mit Spendenaufrufen oder Sammelaktionen für soziale Projekte. So verschiebt sich der Fokus vom Heiligenkult hin zu einer allgemein verständlichen Botschaft: Wer mehr hat, gibt ab.
Woher kommt die Martinsgans?
Zum Martinstag gehört in vielen Wirtshäusern und Haushalten die Martinsgans. Der Brauch hat mehrere Wurzeln: Rund um den 11. November wurde das Wirtschaftsjahr abgeschlossen, Pacht und Zinsen waren fällig und wurden oft in Naturalien, auch in Gänsen, bezahlt. So entstand die Martinsgans.
Hinzu kommt eine Legende: Martin soll sich in einem Gänsestall versteckt haben, um seiner Wahl zum Bischof zu entgehen, und sei durch das Schnattern der Tiere verraten worden.
Spannungsfeld: Tradition, Religion, Integration
Manche Einrichtungen sprechen bewusst vom "Laternenfest", um ein religiös neutrales Angebot zu machen. Kritiker sehen darin den Verlust des historischen Bezugs, Befürworter betonen die Chance auf eine niedrigschwellige Gemeinschaftsaktion für Kinder.
Viele Schulen, Kindergärten und Gemeinden halten am Martinstag als eigenständiger Tradition fest. Er bietet eine klare Erzählung: eine bekannte historische Figur, ein einfacher Akt des Teilens, ein Ritual, das sich mit aktuellen Themen wie Armut oder Zusammenhalt verbinden lässt.
Was bleibt vom 11. November?
So hat der Martinstag in Bayern mehrere Ebenen: kirchlicher Gedenktag, Familienbrauch mit Laternen und Gans, Erzählung vom Teilen. Offiziell bleibt Martin von Tours Teil der christlichen Überlieferung. Im Alltag sorgen Lichter, Umzüge und Gänsebraten dafür, dass daraus ein Ritual für viele wird – auch für Menschen, die der Kirche fernstehen, aber die Idee des Teilens teilen.
Im BR24 Retro: Martinstag ist Zahltag
Schmied bei der Arbeit
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.

