Ein Zug fährt über eine Bahnbrücke an der ein Baugerüst steht.
Bildrechte: BR/Michael Reiner
Audiobeitrag

Bahnbrücke bei Lungsdorf (Lkr. Nürnberger Land).

Audiobeitrag
>

"Vollkatastrophe": Tausende Pendler von Bahnsperrung betroffen

"Vollkatastrophe": Tausende Pendler von Bahnsperrung betroffen

Die Bahn im Oberen Pegnitztal wurde wegen maroder Brücken für den Schienenverkehr zwischen Pegnitz und Hersbruck vom einen Tag auf den anderen gesperrt. Tausende Pendler sind betroffen und viele sind wütend. Eigentlich war das Problem lange bekannt.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

"Eine Vollkatastrophe! Im Moment habe ich keine Ahnung, wie ich zur Arbeit kommen soll", sagt eine Pendlerin, die am Freitagmorgen am Bahnhof in Pegnitz (Lkr. Bayreuth) steht. Sie muss nach Hersbruck (Lkr. Nürnberger Land), doch der eingerichtete Schienenersatzverkehr fährt nach Nürnberg durch – ohne Zwischenstopp. Für die Frau also keine Lösung. Sie ist nur eine von vielen Pendlern, die die kurzfristig eingerichtete Sperrung der Bahnstrecke im Oberen Pegnitztal betrifft.

Marode Brücken: Bahn sperrt Strecke durch das Pegnitztal

Die über 100 Jahre alten Stahlbrücken auf der Eisenbahnstrecke durch das Pegnitztal sind marode, sie müssen in den kommenden Wochen intensiv überprüft werden. Deshalb kündigte die Bahn am Donnerstagnachmittag kurzfristig die Sperrung der Strecke zwischen Hersbruck (rechts der Pegnitz) und Pegnitz ab Freitagmorgen an. Kaum Zeit für Pendler zu reagieren. Von Norden kommende Züge enden in Pegnitz. Vor dort verkehren stündlich Busse.

Güterzüge hatte die Bahn schon seit Anfang September aus dem Pegnitztal verbannt. Die Bahn plant seit Längerem die Modernisierung und Erneuerung der Pegnitzbrücken zwischen Hersbruck und Pegnitz. Einen genauen Zeitplan gibt es nicht, derzeit laufen die Vorplanungen. Wann der Zugbetrieb wieder aufgenommen werden kann, ist nach Angaben der Bahn offen.

Politiker fordern Bahn und Bund zum sofortigen Handeln auf

Politiker der betroffenen Gebiete haben sich gemeinsam in einer Mitteilung Luft gemacht. Darin heißt es, tausende Pendler seien von der Sperrung betroffen, der Regionalverkehr im Großraum Nürnberg und ganz Nordbayern leide darunter massiv, denn für alle Bahnreisenden ab Hof, Marktredwitz und Bayreuth gibt es auf unbestimmte Zeit keine direkte Schienenverbindung mehr nach Nürnberg. Sie fordern Bund und Bahn zum sofortigen Handeln auf, denn die Sanierung der Brücken sei eigentlich erst ab 2029 geplant. Mittel gebe es dafür bisher nicht, heißt es weiter.

Seit Jahrzehnten fordert die Region die vollständige Elektrifizierung der sogenannten Franken-Sachsen-Magistrale. Trotz der großen Bedeutung für den internationalen Güter- und Personenverkehr stagniert das Projekt seit Jahren. Die Franken-Sachsen-Magistrale gehört zu den am stärksten frequentierten Regionalverbindungen Deutschlands und ist Teil des "europäischen Kernnetzes".

"Was wir hier erleben, ist eine hausgemachte Verkehrskatastrophe. Statt endlich in Ausbau und Elektrifizierung zu investieren, wurde die Instandhaltung verschleppt. Jetzt zahlen Pendler und die ganze Region den Preis." Armin Kroder, Landrat des Nürnberger Landes (FW)

Thomas Ebersberger, Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth (CSU) bezeichnet die jetzige Situation als "das Ergebnis organisierter Verantwortungslosigkeit. Reisende und Güter werden von der Schiene auf die Straße gedrängt – der Schaden in das Vertrauen von Bahn und Politik ist immens."

Auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) kritisierte die Deutsche Bahn. Die Sperrung sei leider zu erwarten, aber doch "leicht zu vermeiden" gewesen, wenn 2021 zügig weitergeplant worden wäre, sagte er. "Jetzt wird eine Strecke gesperrt und Schienenersatzverkehr eingerichtet. Wenn das Fortschritt sein soll, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Deutschland!", so Bernreiter. 

Kurzfristige Bahnsperrungen - keine Neuheit

Ende Juni musste bereits die Bahnstrecke München-Holzkirchen kurzfristig gesperrt werden, nachdem die Bahn bei einer Routine-Inspektion an sieben Stellen Weichenschäden entdeckt hatte. Knapp drei Wochen lang waren hier die Nerven von Pendlern und Ausflüglern strapaziert.

Sperrungen vermeidbar: Neue Zukunftsstrategie für Schiene

Deutschland braucht eine neue Zukunftsstrategie für den Schienenverkehr. Das fordert der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, im BR24-Interview am Freitag.

"Da muss zwingend dieser Fetisch weg, dass man mit der Schieneninfrastruktur Geld verdienen kann", so der 59-Jährige. Diese Logik, dass ein betriebswirtschaftlicher Nutzen abfällt, gebe es nur bei der Schiene. "So wird keine Autobahn und keine Bundesstraße gebaut." Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene

Er betonte außerdem, dass das bestehende Schienennetz in Deutschland jahrzehntelang unterfinanziert worden sei und ein "massiver Ausbaubedarf" bestehe. Daran könnten laut Flege auch die 500 Milliarden Euro Sondervermögen wenig ausrichten, die die Infrastruktur voranbringen sollen.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!