Eine Dreiviertelstunde nimmt sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) Zeit für das Gespräch mit der bayerischen Ministerriege um Markus Söder (CSU) – plus 15 Minuten für die anschließende Pressekonferenz. Zu hören bekommt sie vor allem: jede Menge Forderungen.
Söders "Bayern-Paket" für Europa
Söder hat die bayerischen Wünsche auch schriftlich mitgebracht: in einem 70-seitigen Katalog ("Bayern-Paket") sowie als Kurzform auch noch in einem zwölfseitigen Brief an die "sehr geehrte Frau Kommissionspräsidentin" und "liebe Ursula". Im Brief schreibt Söder, es gebe "zehn Forderungen an Europa".
Aber unter zehn Überschriften werden gleich Dutzende Hausaufgaben für die EU aufgelistet. Söder selbst spricht von 100 Forderungen. "Wir wollen Europa, aber wir wollen Verbesserungen", erläutert der Ministerpräsident.
Von Bürokratieabbau bis Ausbau der Verteidigung
Die Bandbreite von Söders Forderungen reicht vom Bürokratieabbau (insbesondere für die Landwirtschaft), über die Stärkung der Automobilindustrie ("Verbrennerverbot rückgängig machen") und schnelle Zoll-Verhandlungen mit den USA ("quick and easy") bis hin zur Technologieförderung ("Technik, Technik, Technik"). Wichtige Themen sind aus Söders Sicht auch die europäische Verteidigung sowie die Regulierung der Migration.
Die bayerischen Forderungen seien ein "bisschen viel", räumt Söder selbst ein, als er bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit von der Leyen den Katalog in die Höhe hält. "Aber es gibt ja genügend Mitarbeiter, die das alles lesen und abarbeiten können", fügt er lachend hinzu und dankt der Kommissionspräsidentin für den guten Kontakt und Austausch. "Das ist nicht selbstverständlich."
Von der Leyen: "Wir wissen, wo wir unterstützen müssen"
Zwar trifft von der Leyen das bayerische Kabinett in Brüssel, wo die EU-Kommission ihren Hauptsitz hat – dennoch ist sie zu Gast bei der Staatsregierung: Denn das Gespräch findet in der Bayerischen Vertretung statt, der "schönsten Landesvertretung, die wir in Brüssel haben", wie die Kommissionspräsidentin sagt.
Von der Leyen bekräftigt, Bayern und Europa seien mit den gleichen Themen beschäftigt: "Ganz vorne steht bei uns auf der Agenda Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit. Das sind die beiden großen Pfeiler." Zugleich lässt sie erkennen, dass die EU-Kommission auch ohne Impulse aus Bayern genaue Vorstellungen hat, was zu tun ist: "Wir wissen, wo wir unsere Unternehmen gezielt unterstützen müssen. Und: Ja, wir sind dabei, Zug um Zug die Bürokratie abzubauen."
Bayern ein "Leuchtturm der Wissenschaft"
Ganz besonders zähle sie auf Bayern, wenn es um Forschung und Innovation gehe, schildert von der Leyen. "Bayern kann Innovation, wie kaum eine andere Region." Der Freistaat sei ein Leuchtturm der Wissenschaft. Die Kommissionspräsidentin betont aber auch, dass Europa den Freistaat aus seinem "Horizon Europe"-Programm mit 2,2 Milliarden Euro unterstütze. Deshalb seien viele interessante europäische Projekte in Bayern angesiedelt.
Aiwangers Fernduell mit Weber
Nicht mit nach Brüssel geflogen ist Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der sich gerade in den USA befindet. Kritik daran kam vorab vom CSU-Vizechef und Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber: "Ich nehme das schon mit Stirnrunzeln wahr", sagte Weber dem "Münchner Merkur" mit Blick auf die Handelsgespräche der EU mit den USA. Das Schicksal der bayerischen Exporteure werde jetzt in Brüssel entschieden. "Wer heute Bayerns Wirtschaft stärken will, muss mit der EU arbeiten."
Die Freie-Wähler-Fraktion stellt klar: Es gebe "gute Gründe" für Aiwangers Abwesenheit. Er reise mit Wirtschaftsvertretern durch zwei US-Bundesstaaten, um sich für ein Ende der Zollstreitigkeiten einzusetzen. Aus der Ferne kontert auch Aiwanger: Weber sei mit von der Leyen "mitverantwortlich für viele falsche politischen Weichenstellungen in der EU".
Zum Zollkonflikt hat Aiwanger aus als 6.500 Kilometern Entfernung Ratschläge an die EU parat: Die EU müsse US-Präsident Donald Trump endlich die Senkung von Autozöllen anbieten: "Wenn du mit jemandem raufst, der stärker ist als du, dann musst du im Zweifel die erste Backpfeife einstecken, dann kriegst du keine zweite mehr." Obwohl Weber aus Niederbayern stamme, wisse er offensichtlich nicht, was die aktuellen Zölle für die BMW-Standorte in Niederbayern bedeuten. "Darum muss sich der liebe Manfred endlich kümmern. Aber wahrscheinlich muss ich wirklich öfter zu ihm nach Brüssel kommen um ihn auf Trab zu bringen."
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