Mit seinen Äußerungen zur Auswirkung von Migration auf das "Stadtbild" hatte Merz sich den Vorwurf von Diskriminierung und Rassismus eingehandelt. Ungeachtet der Kritik legte der Kanzler noch einmal nach: "Ich habe gar nichts zurückzunehmen – im Gegenteil. Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum: Alle bestätigen, dass das ein Problem ist – spätestens mit Einbruch der Dunkelheit."
Die einen finden: Der Kanzler hat recht. Andere kritisieren die Aussagen. Wie reagieren Verantwortliche aus bayerischen Städten?
Nürnbergs OB springt Merz bei
Rückendeckung bekam Merz aus Nürnberg: Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sprang dem CDU-Chef bei. "Wir brauchen Migration. Wir brauchen Menschen, die hier gerne arbeiten, die hier gerne leben, die gerne ihre Zukunft hier verbringen", sagte König im Bayern-2-Interview. "Aber keiner will doch Menschen haben, die unsere Gesellschaft mit ihrer kriminellen Vorgehensweise auch gefährden." Es gehe nicht um diejenigen, die seit Jahren in Deutschland lebten. "Sondern es geht um Menschen, die wir versuchen, seit Jahren mit allen Möglichkeiten abzuschieben, weil sie entweder Straftäter sind oder ihren Aufenthalt verwirkt haben."
Die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg kritisierte die Aussagen und betonte, wie wichtig ein friedlicher und solidarischer Zusammenhalt als Stadtgesellschaft sei.
Augsburger OB: Fokus auf gutes Zusammenleben
Die Augsburger Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) betonte: "In Augsburg haben 50 Prozent der Menschen eine Zuwanderungsgeschichte. Das Aussehen sagt aber nichts über die Staatsbürgerschaft und auch nichts über die Zugehörigkeit zur Stadtfamilie aus." Man schaffe es in Augsburg gut, das Zusammenleben von Menschen aus 170 Nationen zu gestalten.
Die CSU-Politikerin sagte aber auch: "Wenn Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, kommt es an manchen Orten der Stadt zu einer 'gefühlten Ansammlung', weil dort zum Beispiel soziale Einrichtungen verortet sind." In Bürgergesprächen höre sie deswegen auch Sorgen, die man ernst nehmen müsse. Sie will auch weiterhin den Fokus auf ein gutes Zusammenleben legen.
Deutliche Kritik aus Augsburg
Deutlich kritischer zur Aussage von Merz äußerte sich die 2. Bürgermeisterin, Martina Wild von den Grünen [externer Link]: "Wenn ein Regierungschef Geflüchtete oder Migrant*innen so bezeichnet, dann ist das kein unglücklicher Versprecher. Es ist Rassismus. Es ist Diskriminierung. Es ist bewusster Populismus!"
Didem Karabulut, die ehrenamtliche Vorsitzende des Integrationsbeirats der Stadt Augsburg, sieht die Debatte als ein Beispiel für politisches Versagen im Umgang mit Migration. In einer Mitteilung schreibt sie, die aktuelle Debatte sei der Versuch, gesellschaftliche Komplexität in einfache Feindbilder zu pressen. Laut Karabulut gibt es kein "Problem im Stadtbild". Das eigentliche Problem liege darin, dass Kommunen seit Jahren mit Integrations- und Sozialaufgaben alleingelassen würden.
Schwaben: "Wir können Integration hier"
Für Thomas Kiechle (CSU), den Oberbürgermeister von Kempten, stelle sich – unabhängig von Migration – die Frage, wie in der Gesellschaft miteinander umgegangen werde. Subjektive Ängste und Sorgen, die durch den unkontrollierten Zugang nach Deutschland entstanden seien, dürften jedoch nicht wegdiskutiert werden.
Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann (SPD) verweist auf eine erfolgreiche Integrationshistorie der Stadt: "Wir können Integration hier", sagte Habermann und verwies auf zugewanderte Sudetendeutsche, auf türkische Arbeitsmigranten und russische Spätaussiedler als regionale Beispiele. Aussagen dazu sollten "nicht spalten, sondern die Leistung derer würdigen, die da sind".
München ist eine vielfältige, bunte und sichere Stadt
Dominik Krause, der zweite Bürgermeister von München (Grüne), sieht die Rechten aus der Debatte gestärkt hervorgehen. Krause betont auf Instagram [externer Link]: "München ist eine vielfältige, bunte und sichere Stadt, und wir lassen uns nicht spalten. Wir wissen doch mittlerweile: Wer ihnen nach dem Mund redet, stärkt vor allem die Rechtsextremen."
Die Vorsitzende des Münchner Migrationsbeirats, Dimitrina Lang, sagt: "Solche Aussagen treffen mich persönlich – und viele Menschen in unserer Stadt – mitten ins Herz. Denn sie sprechen uns das Gefühl ab, dazuzugehören."
Für die Recherche zu diesem Artikel wurden viele Städte in ganz Bayern angefragt – aus allen Regierungsbezirken. Jedoch wollten sich die meisten nicht zu diesem Thema äußern, oder antworteten bis Redaktionsschluss (für diesen Artikel) nicht.
Video vom 21.10. zur "Stadtbild"-Debatte: Kontroverse um Merz-Äußerungen
Deutschland debattiert über das Stadtbild – konkret über das Zitat des Bundeskanzlers rund um Migration und die Probleme im Stadtbild.
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