Bayern hat deutschlandweit die mit Abstand niedrigste Fachkraft-Quote in Kitas. Das geht aus einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor. Laut Empfehlung des Bundesfamilienministeriums sollten mindestens 82,5 Prozent des pädagogischen Personals in einer Kita über einen einschlägigen Fachschulabschluss verfügen – dann erfüllt das Team die sogenannte "hohe Fachkraft-Quote". In Bayern ist das aber in kaum einer Kita der Fall.
Nur knapp vier Prozent aller bayerischen Kita-Teams erreichen diese hohe Quote – der bundesweit letzte Platz. Bei Spitzenreiter Thüringen sind es knapp 90 Prozent – in Hamburg, das auf dem vorletzten Platz liegt, immerhin noch 14 Prozent. Aus dem bayerischen Sozialministerium heißt es, wer als "Fachkraft" gilt, sei in jedem Bundesland anders geregelt. Denn im Freistaat kommen mindestens auch die staatlich geprüften Kinderpfleger und -pflegerinnen hinzu. Dann läge die bayerische Fachkraftquote schon bei 72 Prozent und somit im Mittelfeld der Bundesländer.
Nimmt man aber nur die rein pädagogischen Fachkräfte (sprich: Erzieherin/Erzieher) in Kitas, liegt die Quote laut Bertelsmann-Studie in Bayern durchschnittlich bei knapp 55 Prozent, die niedrigste Quote im Ländervergleich - Spitzenreiter Thüringen kommt hier auf 94 Prozent.
Bayern zählt auch Kinderpfleger zu Fachkräften
Warum der Beruf des Kinderpflegers für die Studie nicht zum Fachpersonal zählt, erschließt sich der Sozialministerin nicht. Obwohl hier eine zweijährige Ausbildung in Betreuung, Pflege und Förderung von Kindern Pflicht ist. Das ist für Scharf "ein Schlag ins Gesicht für unsere Fachkräfte und Ergänzungskräfte, die jeden Tag einen hochqualitativen Job leisten", sagte sie gegenüber BR24.
Die Autorinnen der Bertelsmann-Studie argumentieren hingegen: Eine qualifizierte Fachkraft sei man erst als Erzieherin und Erzieher. Insofern fällt die staatlich geprüfte Kinderpflegerin in Bayern nicht darunter. Die Begründung gegenüber BR24: Das sei der Standard, der vom Bundesfamilienministerium mit den Ländern entwickelt worden sei. So brauche es zum Beispiel eine höhere Qualifikation, um Sprachdefizite der Kinder besser auszugleichen. Hier kontert Ulrike Scharf, dass die sogenannten pädagogischen Ergänzungskräfte wie Kinderpflegerinnen und -pfleger auch für die Sprachförderung bestens ausgebildet seien.
Ost-West-Gefälle bei pädagogischem Personal
Die Studie zeigt auch ein deutliches Ost-West-Gefälle: Die zehn Landkreise und kreisfreien Städte, die den höchsten Anteil an Kitas mit hoher Fachkraft-Quote aufweisen, liegen allesamt in Ostdeutschland – die zehn Kreise mit dem niedrigsten Anteil allesamt in Bayern.
Verdi: "Mehr Bildung und Betreuung und weniger Aufbewahrung"
Der Freistaat als Schlusslicht bei den Kita-Pädagogen, das kritisiert auch die Gewerkschaft Verdi. Qualifikation spiele eine zentrale Rolle in der pädagogischen Arbeit, sagt Martina Meyer, Erzieherin und Vorsitzende des bayerischen Verdi-Vorstands Erziehung, Bildung, Soziale Arbeit: "Kindern einen guten Umgang mit Konflikten beizubringen, sie einzeln in schwierigen Situationen zu begleiten oder mit einer Gruppe partizipativ zu arbeiten, erfordert Zeit und eine qualifizierte Ausbildung", so Meyer. "Ein hoher Anteil Fachkräfte bedeutet also mehr Bildung und Betreuung und weniger Aufbewahrung." Ins gleiche Horn stoßen die Landtagsgrünen, die gar von "Regierungsversagen" sprechen.
Die Staatsregierung müsse daher den Fachkräfteanteil in Bayerns Kitas erhöhen. Zum Beispiel, indem sich der Freistaat stärker an der Kita-Finanzierung beteilige. So hätten Träger und Kommunen laut Gewerkschaft mehr Mittel für qualifiziertes Personal – schließlich würden Fachkräfte höher vergütet als Ergänzungs- oder Hilfskräfte.
Scharf: Frühkindliche Bildung in Bayern "Top-Priorität"
Bayerns Sozialministerium hält dagegen: Qualität lasse sich nicht nur über eine Quote oder bestimmte Berufsabschlüsse überprüfen. Auch die pädagogischen Ergänzungskräfte wie Kinderpfleger würden eine Erzieherausbildung durchlaufen. "Es werden Äpfel mit Birnen verglichen", sagt Scharf zum Kita-Ländervergleich. "Das ist nicht fair gegenüber dem Kita-Personal." Frühkindliche Bildung in den Kitas habe in Bayern "Top-Priorität". Doch ob Fachkraft oder Ergänzungskraft: Der generelle Personalmangel bleibt in Bayern hoch.
Motivierte Ergänzungskräfte sind genauso wichtig wie Fachkräfte, heißt es in dieser Münchner Kita.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!