Verletzende Kommentare, Beleidigungen, Nacktfotos oder Drohungen: Digitale Probleme machen vor Schulen keinen Halt. Der digitale Klassenchat kann zum Tatort werden.
An der Mittelschule im niederbayerischen Plattling kümmern sich Schulsozialarbeiter um Betroffene von Cybermobbing: Die Schüler können sich beschweren, ausweinen, aber auch um Rat bitten, wenn es um Anzeigen geht, wie Schulsozialarbeiterin Lisa Tanzer im BR24-Interview erzählt.
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Mehr als zwei Millionen Kinder von Cybermobbing betroffen
Cybermobbing ist ein deutschlandweites Problem, das immer größer wird. Das zeigt jetzt eine bundesweite, repräsentative Studie vom Bündnis gegen Cybermobbing und der Barmer Krankenkasse. Tausende Schüler, Lehrer und Eltern wurden dafür befragt. Demnach ist fast jeder fünfte Schüler aktuell von Cybermobbing betroffen – mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland. Jeder vierte Betroffene hat über Selbstmord nachgedacht.
Bündnis fordert mehr Prävention und staatliche Unterstützung
Damit es gar nicht so weit kommt, fordern die Studienautoren mehr Prävention. Denn die Ergebnisse zeigen, dass Schulen, die präventiv tätig sind, weniger Cybermobbingfälle haben. Oft fehlt es bei den Schulen aber an Geld für Präventions-Kurse, wie Uwe Leest vom Bündnis gegen Cybermobbing im BR24-Interview sagt: "Und dann gehen die Schulen den einfachen Weg, holen sich mal die Polizei, nach dem Motto: Wir tun was dagegen." Das allein reiche aber nicht aus, meint Leest. Das Bündnis fordert daher auch mehr Engagement von der Politik, mit einem eigenen Gesetz gegen Cybermobbing – Vorbild hierfür ist das Land Österreich, in dem es ein solches Gesetz bereits seit 2016 gibt.
In Deutschland ist Cybermobbing hingegen keine eigene Straftat im Gesetz. Die Innenminister der Bundesländer haben vor einigen Monaten allerdings eine Initiative gestartet, um das zu ändern. Das Bundesjustizministerium zeigt sich bisher aber zurückhaltend. Das ebenfalls von der FDP-geführte Bundesbildungsministerium schreibt auf BR24-Anfrage: Das geltende Recht ermögliche jetzt schon eine Bestrafung entsprechender Fälle.
Bund fördert Präventions-Projekte - nicht alle können davon profitieren
Die Bundesregierung arbeite derzeit aber an einem Gesetz zum Schutz gegen digitale Gewalt, wie es vom Bundesfamilienministerium heißt. Doch das kommt seit über einem Jahr nicht voran. Weiter schreibt das Familienministerium, dass Projekte gegen Cybermobbing an Schulen gefördert werden: Beispielsweise sind seit dem Schuljahr 2023/2024 "Mental Health Coaches" im Einsatz, um sich psychischer Probleme von Schülern anzunehmen. (Cyber-)Mobbing ist eines der Themen, die Schüler nennen. Doch nicht alle Schulen können von solchen Angeboten profitieren: Bundesweit sind nur 80 Coaches im Einsatz. Ob sie künftig vom Bund angesichts knapper Kassen weiter finanziert werden können, ist noch offen.
Schule appelliert: Auch Eltern in der Pflicht bei Cybermobbing
An der Plattlinger Mittelschule haben sie Glück, wie es heißt: Schulsozialarbeiter sind rar, nicht an jeder Schule vorhanden. In Plattling aber fungieren sie als Anlaufstelle und Ansprechpartner beim Thema Cybermobbing, klären auf, bieten Workshops und Hilfe an. Schulsozialpsychologe Florian Geiger betont im BR24-Interview aber: "Ziel der Prävention ist auch, die Eltern mit einzubeziehen. Denn sie sind es, die Mobilfunkverträge abschließen, die Kinder aber nutzen das Handy." Geiger würde sich in den Elternhäusern oft einen vernünftigeren Umgang wünschen, bis hin zu einer gelegentlichen Kontrolle der Smartphones, wie er sagt – in Absprache mit den Kindern. Denn letztlich sind es die Eltern, die für die Inhalte auf dem Handy ihrer minderjährigen Kinder haften.
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