Wenn es schlecht läuft, dann muss es eben ein Glas Frankenwein richten. Eine Runde Joggen am Main. Oder ein Plausch über den Start der Fußballbundesliga. Als "Teambuilding" wollten die Vorstände der Bundestagsfraktionen von Union und SPD ihr zweitägiges Treffen verstanden wissen. Sie gaben sich Mühe, schöne Bilder zu erzeugen, positive Signale zu senden. Am Ende der Klausur in Würzburg steht ein Papier, das beidseitige Kompromissbereitschaft signalisiert. Drei Punkte haben die 35 Politikerinnen und Politiker um das Trio Jens Spahn (CDU), Alexander Miersch (SPD) und Alexander Hoffmann (CSU) erarbeitet.
Fraktionsspitzen stellen gemeinsamen Fahrplan vor
"Deutschland voranbringen" steht über dem Beschlusspapier der geschäftsführenden Vorstände der Koalitionsfraktionen. Nachfolgend wird auf sechs Seiten eine Absichtserklärung geliefert: Sicherheitspolitik, Wirtschaftswachstum und der Sozialstaat – lediglich eine Kurzversion des Koalitionsvertrags. Darunter jeweils die Reformen und Gesetze, die im nächsten parlamentarischen Halbjahr anstehen: Wehrdienstgesetz, Bürokratieabbau, Rentenreform – wenig überraschend.
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Aussprache nach Koalitionsstreit
Dem Papier ging eine Aussprache voraus. In einem Rechteck saßen sich die Klausurteilnehmer in einem Tagungssaal des Würzburger Hotels Rebstock bei ihrem "Teambuilding" gegenüber. Der Bedarf für eine Aussprache war groß, nachdem sich die Koalitionspartner mit einer vermurksten Wahl für Richter am Bundesverfassungsgericht in die parlamentarische Sommerpause verabschiedet hatten.
In Würzburg ging es deshalb auch um den Kommunikationsstil. Innerhalb der Koalition und nach außen. Da müsse man besser werden, betonen die Teilnehmer übereinstimmend. "Dass wir eine offene und ehrliche Kommunikation erlebt haben, das steht fest", sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Matthias Miersch am Donnerstagabend in den ARD-Tagesthemen. Und Alexander Hoffmann, CSU-Landesgruppenchef, ergänzt im Rahmen einer Abschlusspressekonferenz: "Wir haben gemerkt, wie groß die Schnittmengen und Gemeinsamkeiten sind." Denn es sei auch Zeit fürs Zwischenmenschliche und Atmosphärische gewesen. Das erste Mal nach 115 Tagen als Regierungskoalition im Bundestag.
Aufschwung in der Wirtschaft bleibt aus
Gut so, denn schon am Freitagmorgen wird deutlich, wie wenig Zeit den Fraktionschefs für Austausch und Aussprache bleibt. Um 10 Uhr blinken die Arbeitsmarktzahlen für den August auf den Handys im Hotel Rebstock auf. Drei Millionen Arbeitslose, der höchste Wert seit mehr als zehn Jahren.
Wenig später treten Spahn, Miersch und Hoffmann vor die Kameras. Am Vormittag haben sie sich mit der Ökonomin Nicola Fuchs-Schündeln ausgetauscht, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. In dem Gespräch ging es um gesellschaftlichen Zusammenhalt. "Die Demokratie ist zentral für das Wirtschaftswachstum. Aber andererseits brauchen wir auch das Wirtschaftswachstum zum Erhalt der Demokratie", sagt Fuchs-Schündeln.
Nach der Nachricht zum Arbeitsmarkt hat diese Botschaft besonderes Gewicht. "Mahnung und Auftrag" seien sie, so Unionsfraktionsvorsitzender Jens Spahn. Er verweist auf das, was die schwarz-rote Regierung bereits umgesetzt hat: die Abschaffung der Gasspeicherumlage zum Beispiel. Im Juni hat die Bundesregierung das Investitionssofortprogramm auf den Weg gebracht. Nur wirtschaftlich bemerkbar macht sich das noch nicht.
Vorstände müssen Fraktionen überzeugen
Handfeste Ergebnisse, zum Beispiel in der Steuer- oder Sozialpolitik, gibt es nach zwei Tagen in Würzburg nicht. Das hatten die Koalitionspartner zuvor auch nicht angekündigt. Es zeichnet sich aber eine Kompromissbereitschaft der Fraktionsspitzen ab. Abseits der offiziellen Termine dringt wenig nach außen. SPD-Fraktionschef Miersch wertet das als ein Zeichen, dass Vertrauen entstanden sei. Aus Sicht der Koalitionsspitzen war das "Teambuilding" am Main nicht ohne Erfolg. Nun müssen sie nur noch ihre Fraktionen überzeugen - also mehr als 300 Politikerinnen und Politiker.
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