Im Mordprozess um den Tod der Studentin Hanna aus dem oberbayerischen Aschau hat ein ehemaliger Mithäftling den Angeklagten erneut schwer belastet. Der Zeuge erklärte vor dem Landgericht Traunstein, der Angeklagte habe ihm Ende 2022 gestanden, Hanna bewusstlos geschlagen und anschließend in den Fluss geworfen zu haben. Die beiden Männer hatten sich während der Untersuchungshaft in der JVA Traunstein kennengelernt. Ein Gutachten hatte allerdings im Vorfeld die Glaubwürdigkeit des Mithäftlings in Zweifel gezogen.
Neuauflage des Mordprozesses um die getötete Studentin
Bereits in einem ersten Strafverfahren hatte der Mithäftling von diesem Gespräch berichtet und galt damit als Hauptbelastungszeuge. Seine Aussage hatte in dem rein auf Indizien basierenden Prozess eine entscheidende Rolle gespielt. Denn Spuren, die den Angeklagten direkt mit der getöteten Hanna verbanden, gab es nicht: keine DNA von ihm an ihrer Leiche; kein Blut von ihr an seiner Kleidung.
Als die Kammer den Angeklagten im März 2024 zu einer Jugendstrafe von neun Jahren Haft verurteilte, fußte ihre Entscheidung deshalb vor allem auf der Aussage des Mithäftlings. Die Verteidiger des Angeklagten legten dagegen Rechtsmittel ein.
Ein Gutachter bescheinigte Zeugen ausgeprägte Neigung zum Lügen
Im April 2025 folgte dann eine überraschende Wende: Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf, weil es Zweifel an der Unbefangenheit der damaligen Vorsitzenden Richterin gab, und verwies ihn zurück ans Landgericht Traunstein. Eine andere Kammer muss den Fall nun noch einmal ganz von vorne verhandeln, inklusive Beweisaufnahme.
Im Juni dieses Jahres kam auch der heute 23-jährige Angeklagte wieder frei – weil ein renommierter Psychologe die Aussage des Mithäftlings für nicht glaubwürdig hielt. In einem vorläufigen Gutachten attestierte er diesem eine ausgeprägte Fähigkeit und Neigung zum Lügen.
Zeuge verheddert sich zunehmend in Widersprüche
Entsprechend gespannt wartete man im voll besetzten Zuschauerraum am heutigen Mittwoch auf den Auftritt des Mithäftlings. Zu Beginn wies ihn die Vorsitzende Richterin noch einmal eindringlich darauf hin, dass er sich mit einer Falschaussage strafbar machen könne. Mehr als zwei Stunden lang befragten sie und ihre Kolleginnen den Mann dann.
Während der Zeuge anfangs noch ruhig und selbstbewusst auftrat, wirkte er im Verlauf der intensiven Befragung immer unsicherer. Wiederholt konfrontierte ihn die Kammer mit Widersprüchen zu seinen früheren Aussagen bei der Polizei und vor Gericht: So hatte er zum Beispiel bei einer früheren Vernehmung angegeben, dass er nach dem Geständnis des Angeklagten so betroffen war, dass er diesen gebeten habe, das Zimmer zu verlassen. Am Mittwoch konnte er sich daran zunächst nicht erinnern. Auch, ob der Angeklagte während des folgenreichen Gesprächs einen Gips an der Hand trug, vermochte der Zeuge nicht mehr genau zu sagen.
Verteidigung hat Zeugen noch nicht befragt
Je öfter die Richterinnen nachfragten, desto mehr verwickelte der Zeuge sich in Widersprüche, konnte sich mal an das eine erinnern und dann an das andere. Irgendwann war selbst der sonst sehr geduldig wirkenden Vorsitzenden Richterin eine gewisse Irritation anzumerken. Und da hatte die Verteidigung des Angeklagten – die für ihren Mandanten einen Freispruch erreichen will – noch gar keine Fragen gestellt. Gegen halb fünf entschied man schließlich, die Befragung für heute zu beenden.
Insgesamt hat das Landgericht Traunstein 26 Tage für die Verhandlung angesetzt. Das Urteil soll nach derzeitiger Planung kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember, fallen.
Der Fall Hanna: Ein Todesfall, der ganz Aschau erschütterte
In der Nacht zum 3. Oktober 2022 hatte die 23 Jahre alte Studentin in der Disco "Eiskeller" in Aschau gefeiert und wollte gegen 2.20 Uhr nach Hause. Dort kam sie aber nie an. Am folgenden Tag wurde ihre Leiche im Fluss Prien entdeckt.
Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage weiterhin davon aus, dass der Angeklagte die Studentin in der Nacht aus sexuellen Motiven von hinten angegriffen und dann in den nahegelegenen Bärbach geworfen hat, wo sie ertrank. Die Verteidigung hingegen will beweisen, dass es gar keinen Mord gab – sondern die nach dem Club-Besuch stark alkoholisierte Hanna W. durch einen Unfall starb.
Mit Informationen von dpa.
Im Video: Hauptbelastungszeuge sagt aus
Im wieder aufgerollten Mordverfahren um den Tod von Hanna aus Aschau hat der Belastungszeuge aus dem ersten Prozess erneut ausgesagt.
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