Wenige hundert Meter hinter der Schleuse wird es plötzlich eng. Binnenschiffer Florian Wichern steuert sein Schiff durch den Main. Eigentlich ist genug Platz. Doch an diesem Tag hat es über 30 Grad. Badegäste treiben auf Schwimmreifen durch den Fluss. Vor dem Güterschiff taucht ein rundes "Grillboot" auf. Seit ein paar Jahren werden diese Boote in Würzburg vermietet. Die Insassen versuchen, Abstand zu halten. Doch nicht genug. Der Sog des Schiffes ist stark.
Zusammenstoß mit Grillboot
"Lebensgefährlich! Unverantwortlich!" Florian Wichern schüttelt den Kopf. Das Partyboot prallt an der hinteren Flanke auf das Schiff. Die Insassen des Grillbootes haben Glück. Sie fahren unversehrt weiter. Situationen wie diese erlebt der Binnenschiffer nach eigenem Bekunden immer wieder.
Viele Badegäste seien umsichtig, sie hielten Abstand, wenn er sich nähert. Doch längst nicht alle: "Das Problem ist die Rücksichtslosigkeit, die schwimmen manchmal quer durch den Main, vom linken an das rechte Ufer, ohne sich umzuschauen."
Main immer beliebter seit Corona
Seit der Corona-Pandemie beobachtet die Wasserschutzpolizei Würzburg, dass der Main deutlich belebter ist als noch vor einigen Jahren. Der Fluss bietet Naherholung. Er liegt vor der Haustüre, Baden ist kostenlos. Doch manche Besucher unterschätzen die Gefahren, erklärt Wasserschutzpolizist René Schwalb. Mit seinem Team ist er deshalb an heißen Tagen regelmäßig auf dem Main unterwegs, um Badegäste aufzuklären: Was ist in Flüssen erlaubt? Was nicht? Laut Schwab gibt es auch Graubereiche: "Es ist sehr unvorteilhaft, in der Fahrrinne zu baden und zu schwimmen, weil dann die Schiffe schlecht ausweichen können." Es gehe ihm und seinen Kollegen um Prävention, sagt der Polizist. Nur in Ausnahmen würden sie verwarnen oder anzeigen.
Im Video: Wie immer mehr Badegäste auf dem Main einen Binnenschiffer herausfordern
Lebensgefährlich? Riskanter Badespaß auf dem Main
Meiste Badetote in Bayern
Glücklicherweise kommt es nur selten zu Unfällen mit Schiffen, sagt Schwalb. Nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) sind 2024 in Bayern 40 Badegäste in Fließgewässern ertrunken. Dieses Jahr seien es bis Juli bereits 18 Personen gewesen. Allerdings erfasst die DLRG nicht, wie es zu den Unglücken kam. In vielen Fällen würden Schwimmer schlicht ihr eigenes Können überschätzen, sagt ein Sprecher der DLRG.
Extrem lange Bremswege
Bislang ist auch Binnenschiffer Florian Wichern unfallfrei durch den Main gekommen. In seinen 27 Berufsjahren habe es dennoch immer wieder brenzlige Situationen gegeben. Zehn Meter Abstand zu seinem 86 Meter langen Schiff würde er sich wünschen, damit Badende nicht in den Sog geraten. Doch viele Schwimmer und Bootsfahrer würden auch den Bremsweg der Binnenschiffe unterschätzen. "Wir bewegen jetzt 1.300 Tonnen. Die erstmal ins Stehen zu bekommen, das dauert natürlich", sagt Wichern. Etwa 300 Meter brauche er, um sein Schiff zu bremsen – wenn er gegen die Mainströmung fährt. Flussabwärts können auch 700 Meter nötig sein, um zu bremsen.
"Es geht um ein vernünftiges Miteinander", sagt Winfried Füßl, Vorstand der Mainschifffahrts-Genossenschaft. Es sei völlig nachvollziehbar, dass sich viele bei heißen Temperaturen abkühlen wollen. Doch der Main sei auch eine Schifffahrtsstraße. Das sei nicht allen bewusst.
Binnenschiffer wünscht sich mehr Aufmerksamkeit
Zumal sich Binnenschiffer Wichern als Selbstständiger keinen Verzug leisten will. Er kann gar nicht immer bremsen, muss in manchen Situationen darauf vertrauen, dass Badende rechtzeitig auf Seite schwimmen.
An diesem Nachmittag treibt ein älterer Herr auf einer Luftmatratze im Main. Der Mann schläft. Er bemerkt nicht, wie nahe er an der Spurrinne des Schiffes treibt. "Der hält seinen Mittagsschlaf. Es kann sein letzter sein", sagt Wichern mit einer großen Portion Sarkasmus. Erst als der Mann an der Fahrerkabine vorbeigetrieben ist, bemerkt er das Binnenschiff. Nur wenige Meter haben ihn vor einem Unglück bewahrt.
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