Die Vogelgrippe in Deutschland breitet sich rasch weiter aus: In den vergangenen 14 Tagen gab es einen "sehr schnellen Anstieg der Infektionen", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) am Freitag in Berlin. Oberste Priorität habe nun, "eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, Tiere zu schützen und Schäden für unsere Land- und Lebensmittelwirtschaft abzuwenden".
1. Ist die aktuelle Lage ungewöhnlich?
Die Vogelgrippe (auch: Geflügelpest) ist in Deutschland kein neues Phänomen, insbesondere im Herbst, wenn Zugvögel auf dem Weg in ihre Winterquartiere das Virus verbreiten können. Ungewöhnlich ist in diesem Jahr das Ausmaß der Infektionen bei Kranichen. Die Geflügelpest ist für Vögel hoch ansteckend und tödlich. Das Virus kann sich schnell verbreiten, besonders wenn die Zugvögel wie die Kraniche in großen Gruppen an Rastplätzen eng beieinander sind.
2. Wo sind aktuell Fälle der Vogelgrippe bekannt?
Inzwischen sind fast alle Bundesländer, auch Bayern, von der Vogelgrippe betroffen. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) hebt hervor, dass Kraniche in diesem Ausmaß in Deutschland bisher nicht betroffen waren. Kraniche steuern zurzeit vor allem Spanien und Nordafrika an. Eine Hauptroute führt von Skandinavien über Norddeutschland und Frankreich nach Spanien. Die andere Route führt vom Baltikum über Ungarn nach Italien und Nordafrika. Eine Nebenroute zweigt von Ungarn ab in Richtung Westen und verläuft entlang der Donau auch durch Bayern. Möglicherweise sind auch deshalb die ersten Fälle in Bayern aufgetreten.
Die Flugrouten allein geben aber nur einen Hinweis auf die Erstinfektionen. Denn vor allem die toten Kadaver sind Infektionsherde für eine weitere sprunghafte Verbreitung. Besonders viele tote Kraniche gibt es beispielsweise in Brandenburg, wo freiwillige Helfer die Kadaver einsammeln, um eine Weiterverbreitung zu verhindern. Auch bei Aasfressern wie Krähen wurden Fälle nachgewiesen.
3. Welche Auswirkungen hat die Vogelgrippe auf Geflügelbetriebe?
Ein großes Problem entsteht, wenn infizierte Wildvögel in Gehegen verenden, in denen Zuchttiere (Hühner, Puten, Enten, Gänse) gehalten werden. Schon bei nur einem nachgewiesenen Fall in einem Betrieb muss der gesamte Bestand getötet werden. Das zuständige FLI schätzt, dass in diesem Herbst bereits mehr als 200.000 Tiere aufgrund der Geflügelpest getötet und entsorgt wurden.
4. Wie ist die aktuelle Situation der Vogelgrippe in Bayern?
In Bayern wurde kürzlich eine mit der Vogelgrippe infizierte Graugans am Stausee Bertoldsheim (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) gefunden, die kurz danach verendete. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat die Erkrankung nachgewiesen. Auch die Stadt Ingolstadt meldete den Fund von an Vogelgrippe erkrankten Schwänen. Vor wenigen Wochen brach die Krankheit bereits in einem Gänsemastbetrieb mit 3.000 Tieren in Simbach (Landkreis Dingolfing-Landau) aus. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) rechnet mit weiteren Fällen in Bayern.
5. Ist das Virus für den Menschen gefährlich?
Grundsätzlich kann sich das Virus auf den Menschen übertragen, wenn dieser einer sehr hohen Dosis ausgesetzt ist, wie es in den USA beispielsweise bei Menschen in Geflügelbetrieben der Fall war. Fachleute sehen derzeit jedoch kein besonderes Risiko für schwerwiegende Erkrankungen bei Menschen. Wer tote Vögel sieht, sollte zur Sicherheit Abstand halten und die Behörden informieren.
6. Wie sollten wir uns verhalten?
Um eine weitere Verbreitung des Virus zu vermeiden und das geringe Risiko einer Übertragung auf den Menschen auszuschließen, sollte folgendes Verhalten beachtet werden:
- Tote Vögel nicht anfassen: Halten Sie unbedingt Abstand zu toten oder kranken Wildvögeln.
- Behörden informieren: Melden Sie Funde von mehreren verendeten oder kranken Vögeln (insbesondere Wassergeflügel und Greifvögel) umgehend dem zuständigen Veterinäramt oder der örtlichen Ordnungsbehörde.
- Hunde anleinen: Halten Sie Hunde im Freien, speziell in der Nähe von Gewässern oder Rastplätzen von Wildvögeln, vorsorglich an der Leine, um zu verhindern, dass sie mit Kadavern in Kontakt kommen.
- Hygiene: Waschen Sie sich nach einem Aufenthalt im Freien, vor allem nach Kontakt mit Natur oder Tieren, gründlich die Hände.
7. Wie schätzt der Bundeslandwirtschaftsminister die aktuelle Situation ein?
Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) hält es nicht für ungewöhnlich, dass sich Tiere um diese Jahreszeit mit der Vogelgrippe anstecken. Ungewöhnlich ist für ihn jedoch der schnelle Anstieg der Infektionszahlen in den letzten zwei Wochen. Die Gründe dafür sind noch unbekannt.
8. Wieso regeln die Bundesländer und nicht der Bund den Seuchenfall?
Die Zuständigkeit für Tierseuchenbekämpfung liegt in Deutschland grundsätzlich bei den Bundesländern. Der Bundeslandwirtschaftsminister hat zwar eine koordinierende und beratende Rolle (unterstützt durch das FLI), die konkreten Entscheidungen über lokale Schutzmaßnahmen, wie Stallpflicht oder Desinfektionsauflagen, müssen jedoch die Länder und die zuständigen Veterinärbehörden vor Ort treffen.
Der Grund: Die Lage ist regional sehr unterschiedlich. Allerdings kann in extremen Fällen auch ein Krisenstab eingerichtet werden, den der Bund steuert. Das war etwa Anfang des Jahres angedacht, als in Brandenburg die Maul- und Klauenseuche (MKS) aufgetreten war.
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