(Archivbild) Münchener demonstrieren zum Volksbegehren 'Mehr Demokratie in Bayern'.
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(Archivbild) Demonstration für "Mehr Demokratie in Bayern"
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Vor 30 Jahren: Bürger stimmen für "Mehr Demokratie in Bayern"

Vor 30 Jahren: Bürger stimmen für "Mehr Demokratie in Bayern"

Am 1. Oktober 1995 stimmte eine Mehrheit der Bayern für die Einführung von Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene. Seitdem nutzen die Bayern ihre Macht von unten. Und damals wie heute gibt es Widerstand gegen zu viel Macht des Volkes.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der 1. Oktober 1995 sei einer der glücklichsten Tage in seinem Leben gewesen, erinnert sich Roman Huber. Heute sitzt er im Bundesvorstand des Vereins "Mehr Demokratie". Mitte der 90er Jahre waren er und seine Mitstreiter zwischen 25 und 30 Jahre alt, "naiv und unverfroren". Huber lacht: "Wir wussten ja nicht, dass das nicht geht. Und haben's dann einfach gemacht." Die Kampagne wurde von Organisationen wie dem Bund Naturschutz unterstützt, aber auch von Parteien wie Bündnis 90/Grüne und SPD.

Gegen die "Übermacht der CSU"

Die CSU regierte damals seit Jahrzehnten allein im Freistaat, ohne Koalitionspartner. Auch auf dem Land, in vielen Kommunen und Städten empfanden Huber und die anderen gut 20 Initiatoren des Volksentscheids die CSU als "übermächtig". Huber vergleicht die damalige Situation mit einem Spruch des Kabarettisten Gerhard Polt: "Wir brauchen keine Opposition, weil wir sind schon demokratisch."

Volksentscheide Ja, Bürgerbegehren Nein

Volksentscheide auf Landesebene sah die Verfassung in Bayern vor, aber eben keine Bürgerentscheide oder Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene. Zunächst musste der Verein genügend Unterschriften sammeln, damit es überhaupt zum Volksentscheid im Oktober 1995 kommen konnte.

Im Februar 1995 unterschrieben innerhalb von zwei Wochen 1,2 Millionen Menschen für das Volksbegehren, klar mehr als die erforderlichen zehn Prozent der Wählerschaft (damals 880.000). Beim Volksentscheid im Oktober stimmten schließlich 57,8 Prozent der Bürger für den Vorschlag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in der Gemeindeordnung zu verankern.

Vom Lähmungseffekt zum deutschen Meister

Die CSU stand unter Schock. Der damalige CSU-Fraktionschef im Landtag, Alois Glück, sah Bayern im Stillstand: "Große Unsicherheit" werde sich breit machen, diese Art der Mitbestimmung könne "Lähmungseffekte" auslösen, sagte Glück voraus.

Die Bayern nutzten ihr neues Machtinstrument – und wurden zum deutschen Meister in Sachen Demokratie von unten. 40 Prozent aller Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene in Deutschland finden in Bayern statt. Münchens Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sagte Jahre später, eigentlich hätte seine SPD so etwas auf den Weg bringen müssen.

Söder: Bürgerbegehren als "Blockade"

Während es bei landesweiten Volksentscheiden eher um die "Abschaffung von Studiengebühren" oder "Rettet die Bienen" geht, drehen sich die Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene laut Roman Huber um die Themen "Wirtschaft, Verkehr und Baufragen aller Art". Das kann eine Umgehungsstraße genauso sein wie ein Windpark – wie im niederbayerischen Mehring. Dort entschieden sich die Bürger Anfang des Jahres 2024 gegen das Großprojekt, was zu heller Aufregung in der bayerischen Staatsregierung führte.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte postwendend in einer Regierungserklärung, das Instrument Bürgerentscheid zu überarbeiten, denn es werde "zunehmend als Blockade eingesetzt".

Runder Tisch sucht neue Möglichkeiten

Es formierte sich ein Runder Tisch, der ein Jahr lang unter der Leitung des ehemaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU) nach neuen Möglichkeiten für Bürgerentscheide suchte. Von Söders Forderungen blieb nicht viel übrig. Bei den Vorschlägen geht es lediglich um Fristen, die bei Einschreibungen beachtet werden sollten, oder um Entscheidungen, die ohnehin auf Bundes- oder Landesebene getroffen werden, zum Beispiel zu Krankenhäusern.

In wenigen Wochen: Entscheidung zu Olympia

In gut drei Wochen steht in München der Bürgerentscheid zu Olympia an – ziemlich genau zwölf Jahre, nachdem die letzte Bewerbung für die Olympischen Winterspiele in Bayern am Nein der Bürger gescheitert war. Die Abstimmungsunterlagen hat die Stadt bereits verschickt. In dem dicken Umschlag finden sich neben dem Wahlzettel einzig Argumente PRO Olympia. So zeigt die beigelegte Broschüre das Olympiastadion im schönsten Abendlicht.

Roman Huber sagt voraus, genau deshalb könnte die Münchner Olympiabewerbung nach hinten losgehen. Die Bürger spürten, wenn ihnen etwas "untergejubelt" werden solle. Dass die Münchner überhaupt über so ein Milliarden-Projekt wie Olympia entscheiden können, geht auf seine Initiative zurück, die dieses Recht vor genau 30 Jahren durchgesetzt hat.

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