Kontrolle am Grenzübergang Kiefersfelden
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"Weniger rein, mehr raus": Migrationswende oder Stimmungsmache?

"Weniger rein, mehr raus": Migrationswende oder Stimmungsmache?

Weniger Asylanträge, mehr Abschiebungen und Ausreisen: Bayerns Ministerpräsident Söder sieht die "Migrationswende" in vollem Gang. Der Bayerische Flüchtlingsrat warnt dagegen vor einer Wende hin "zum Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Der bayerische Ministerpräsident hat sich einen griffigen Slogan überlegt für die Vorstellung der aktuellen Zahlen zum Thema Migration. "Das Motto lautet: weniger rein, mehr raus", sagt Markus Söder (CSU) in München. "Die Abschiebezahlen steigen und die Zugangszahlen sinken deutlich."

Laut Innenministerium wurden im Freistaat im ersten Halbjahr 6.758 Asylanträge gestellt, 57 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Als "ganz entscheidenden Faktor" nennt Söder die verschärften Kontrollen an den deutschen Grenzen.

Mehr Abschiebungen und Ausreisen

Die Zahl der Rückführungen stieg von 1.400 auf 1.788. Söder sieht dies als Beleg dafür, dass die Migrationswende "in vollem Gang" sei. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betont, Bayern habe eine konsequente Politik, "solche, die sich illegal hier aufhalten, wieder außer Landes zu bringen". Umgekehrt sei der Freistaat erfolgreich dabei, "Menschen, die auf Dauer hier bleiben können und dürfen, auch wirklich in den Arbeitsmarkt zu integrieren".

Gestiegen ist auch die Zahl der freiwilligen Ausreisen: von 6.979 im ersten Halbjahr 2024 auf 7.562 in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Das sei der höchste Stand seit zehn Jahren, sagt der Ministerpräsident. Ausschlaggebend dafür sei besonders die Einführung der Bezahlkarte. Nun brauche es deutschlandweit eine solche "stringente" Karte nach bayerischem Vorbild.

"Immer wieder solche Wellen"

Das "Büro für Rückkehrhilfen – Coming Home" der Stadt München bestätigt auf BR-Anfrage, dass es derzeit deutlich mehr Anfragen zu einer freiwilligen Ausreise gebe. Zugenommen hätten Beratungen von Syrern, die angesichts der veränderten politischen Lage über eine Rückkehr nachdenken, sagt Leiter Falko Zemmrich. Allerdings seien darunter auch Frauen und Männer mit Aufenthaltsgenehmigung.

Zur Ursache für den Anstieg der Ausreisen sagt er: "Wir haben immer wieder solche Wellen – auf und ab." Einen Zusammenhang mit der Bezahlkarte könne er "weder bestätigen noch dementieren".

Flüchtlingsrat widerspricht Söder

Der Bayerische Flüchtlingsrat betont, die Behauptung, die Bezahlkarte habe abschreckende Wirkung, sei längst widerlegt. "Menschen fliehen nicht wegen Sozialleistungen, sondern vor Krieg, Verfolgung und existenzieller Not." Auch verstärkte Grenzkontrollen lösen laut Flüchtlingsrat keine Probleme, sondern führten zu Überstunden bei der Bundespolizei. "Menschen ohne Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit abzuweisen, verstößt gegen geltendes Recht – das ist gerichtlich bestätigt."

Von einer "Migrationswende" kann laut Flüchtlingsrat keine Rede sein: "Was wir erleben, ist eine Wende hin zu populistischer Stimmungsmache, rechtlichen Grauzonen und einem gefährlichen Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien."

Söder: Richtungswechsel auf Straßen sichtbar machen

Die Zahl der Menschen, die in Bayern in Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind, ging von 138.000 auf 128.800 zurück. Zwar laste auf den Kommunen immer noch ein hoher Druck, sagt der Ministerpräsident, "aber er geht ganz langsam runter". Innenminister Herrmann kündigt an, sich dafür einzusetzen, "dass im neuen Schuljahr wirklich alle Turnhallen auch wieder dem Schulbetrieb zur Verfügung" stehen.

Söder zeigt sich entschlossen, den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen. "Es braucht jetzt Konsequenz und längeren Atem." Es gebe keinen Anlass nachzulassen. Der Richtungswechsel solle nicht nur in den Statistiken sichtbar sein, sondern "auch stärker auf der Straße", beispielsweise bei der Unterbringung von Asylbewerbern. Der CSU-Politiker sieht Deutschland erst "ganz am Anfang der Debatte". Der Richtungswechsel dürfe nicht nur eingeleitet werden, sondern müsse "auf Dauer komplett vollzogen" werden.

Grüne: Söder blendet

Der Grünen-Innenexperte im Landtag, Florian Siekmann, wirft dem Ministerpräsidenten vor, sich mit fremden Federn zu schmücken. Das Minus bei den Asylanträgen liege vor allem an der Lage in den Herkunftsländern: "Der Bürgerkrieg in Syrien ist erstmal vorbei, und auch in der Türkei, dem wichtigsten Transitland, hat jetzt die PKK die Waffen niedergelegt."

Dadurch kämen nicht nur weniger Leute, sondern es seien auch mehr Menschen zur freiwilligen Rückkehr bereit. Mit den Maßnahmen von Söder und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe das nichts zu tun. Einen Effekt hätten vielmehr die Gesetze der Vorgänger-Bundesregierung: Dank eines vernünftigen Einwanderungsrechts würden weniger Menschen in die "Asylmaschine" gedrängt. Dagegen sei die Zahl der wirklich zurückgewiesenen Asylbewerber an den Grenzen verschwindend gering. "Markus Söder blendet die Menschen in Bayern mit seinem Grenztheater."

Im Video: Migrationswende oder Stimmungsmache?

Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Bayern kommen, ist erneut gesunken.
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Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Bayern kommen, ist erneut gesunken.

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