Blick auf die Lindauer Insel im Bodensee
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Am Bodensee fangen Fischer immer weniger Fische. Deshalb geben viele von ihnen auf.
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Am Bodensee fangen Fischer immer weniger Fische. Deshalb geben viele von ihnen auf.

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Bald der letzte seiner Art? Bodensee-Fischer kämpft um Existenz

Bald der letzte seiner Art? Bodensee-Fischer kämpft um Existenz

Das Bodenseewasser wird immer wärmer, invasive Arten breiten sich aus. Forscher sorgen sich um die Fischwelt in einem der größten Binnenseen Europas. Das hat viel mit der Nahrungssituation der Fische im See zu tun. Und die spitzt sich weiter zu.

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

Noah Kapfhammer sitzt in seinem Metallboot im Hafen von Nonnenhorn am Bodensee. Der 23-Jährige sagt: "Das macht einen stolz, als einer der letzten das hier noch zu machen, auch wenn es nicht einfach ist." Noah ist gelernter Fischwirt und beginnt gerade die Meisterfortbildung. Er ist einer der letzten verbliebenen Berufsfischer am Bodensee. Nachwuchs gibt es nicht. Am bayerischen Ufer ist er der einzige.

Heute gibt es noch 52 Berufsfischer am Bodensee – vor zehn Jahren waren es 113. Ihre Fangerträge gehen seit etlichen Jahren zurück. Das hat viele Gründe, etwa, dass für die Fische insgesamt weniger Nahrung zur Verfügung steht als früher, aber auch neue Nahrungskonkurrenten – und dann kommt noch das wärmer werdende Wasser hinzu, das die Nahrungssituation weiter verschärfen könnte.

Im Video: Zehn Kilo Fisch in zwölf Stunden - Erreicht Noah Kapfhammer sein Tagesziel?

Der 23-jährige Noah Kapfhammer könnte bald der letzte Fischer am Bodensee sein. Denn Klimawandel und invasive Arten bedrohen den Fischbestand.
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Der 23-jährige Noah Kapfhammer könnte bald der letzte Fischer am Bodensee sein. Denn Klimawandel und invasive Arten bedrohen den Fischbestand.

Klimakrise: Bodenseewasser wird immer wärmer

Die Wassertemperatur im Bodensee steigt – sogar am Grund. "Heute haben wir 5,5 Grad Celsius in 250 Meter Wassertiefe – das hätte sich vor 30, 40 Jahren nie jemand träumen lassen", sagt Martin Wessels vom Institut für Seenforschung in Langenargen. Der Bodensee ist demnach in den vergangenen 30 Jahren im Vergleich zur 30-Jahres-Periode davor an der Oberfläche um 1,4 bis 1,5 Grad wärmer geworden. In 250 Metern Tiefe sind es 0,4 Grad Anstieg. Und das hat Folgen.

Weniger Nährstoffe durch Zirkulation

Eigentlich gelangen durch die Stürme im Frühjahr viele Nährstoffe vom Grund nach oben, und Sauerstoff dringt von der Wasseroberfläche in die Tiefe. Dieses für den See lebenswichtige "Durchmischen" funktioniert aber nur, wenn die gesamte Wassersäule kalt ist, sprich: Wenn das Wasser in der Tiefe ebenso kalt ist wie an der Oberfläche, etwa bei vier Grad.

Wird das Wasser wärmer, gerät dieser Austausch ins Wanken. Seit rund 20 Jahren nehmen die Jahre mit schwacher Durchmischung zu. Ganz ohne Wasseraustausch gäbe es keinen Sauerstoff mehr am Grund – und ohne Sauerstoff kein Leben. Derzeit ist das laut Wessels noch nicht der Fall. Das könnte sich aber schnell ändern, und die Erwärmung hat jetzt schon Einfluss auf die Fische selbst.

Fische schlüpfen früher – in nahrungsarmem Wasser

Der Nachwuchs schlüpft seit jeher eigentlich genau dann im Jahr, wenn genug Futter im See vorhanden ist. Durch die Erwärmung des Wassers schlüpfen die Larven aber früher. "Deswegen befürchten wir, dass sie dann in ein nahezu leeres Wasser hineinschlüpfen, in dem eben das Futter fehlt", sagt Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle in Langenargen.

Weniger Phosphat heißt weniger Nahrung

Dabei gibt es jetzt ohnehin schon weniger Nahrung als früher, was am Phosphat liegt. Ab den 1960er-Jahren war das für Pflanzen wichtige Phosphat in rauen Mengen im Bodensee vorhanden – es gelangte über das Abwasser der Flüsse in den See. Algen wuchsen schnell, es gab viel zu fressen für die jungen Fische, und die Fischer machten gute Fänge. Der See aber drohte umzukippen.

Heute sind die Phosphatwerte wegen der Kläranlagen wieder niedrig. Wenig Phosphat im See heißt aber eben auch wenig Nahrung für die jungen Fische. Deshalb machen die Fischer diese Situation für ihre geringen Erträge verantwortlich. Auch die Wissenschaft bestätigt: ein offensichtlicher Zusammenhang.

Neue Fresskonkurrenz für junge Fische

Und dann sind da auch noch neue Fresskonkurrenten. Zum Beispiel die Quagga-Muschel. Sie stammt ursprünglich aus dem Schwarzen Meer, wurde erst vor wenigen Jahren eingeschleppt und breitet sich seither rasant aus. Sie saugt wie ein Filter Plankton aus dem Wasser – genau das, was eigentlich die jungen Fische als Nahrung brauchen. Das verschärft die Situation zusätzlich.

Nachwuchsfischer Noah Kapfhammer kann vom Fang aus dem Bodensee allein nicht leben. Die Familie vermietet nebenbei noch Ferienwohnungen. Kapfhammer hofft, dass er neben dem Handel mit Fisch auch künftig weiter frischen Bodensee-Fisch anbieten kann. Er ist zuversichtlich und sagt: "Ich denke, irgendetwas wird's immer geben."

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