Ein junger Mann liegt auf dem Sofa und schaut in sein Handy.
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Im Berchtesgadener Land gibt es bundesweit die erste Klinik, in der Ärzte und Therapeuten handysüchtige Jugendliche behandeln. (Symbolbild)
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Im Berchtesgadener Land gibt es bundesweit die erste Klinik, in der Ärzte und Therapeuten handysüchtige Jugendliche behandeln. (Symbolbild)

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Wie eine Klinik in Bayern handysüchtigen Jugendlichen hilft

Wie eine Klinik in Bayern handysüchtigen Jugendlichen hilft

Im Berchtesgadener Land gibt es bundesweit die erste Klinik, in der Ärzte und Therapeuten handysüchtige Jugendliche behandeln. Worauf es bei der Therapie ankommt und wovor die Ärzte warnen, zeigt ein Besuch beim Pilotprojekt.

Über dieses Thema berichtet: Münchner Runde am .

Karl, der eigentlich anders heißt, hat eine lange Leidenszeit hinter sich. Krasse Wochen seien das gewesen, sagt der Jugendliche. Seine Bildschirmzeit: "13 Stunden am Tag, und das merkt man dann irgendwann, das schlägt auf die Gesundheit aus." Karl will anonym bleiben, aktuell wird er in der Klinik "Schönsicht" in Berchtesgaden behandelt. Die Folgen seiner Handysucht seien enorm gewesen, berichtet er: "Man kommt morgens nicht mehr aus dem Bett, man kommt nicht mehr in die Schule."

Klinik in Bischofswiesen – ein Pilotprojekt

Die Klinik "Schönsicht" ist ein bundesweites Pilotprojekt. In Zusammenarbeit mit der Berliner Charité hat man dort eine der ersten Therapiemöglichkeiten für handysüchtige Jugendliche entwickelt. Für die Patienten heißt das konkret: raus aus der digitalen Blase, rein in die echte, analoge Welt. Am Tag des Besuches von BR24 machen Karl und andere Jugendliche zum Beispiel einen Töpferkurs. Unterstützt werden sie dabei von Therapeutinnen wie Sabine Köppl. "Abseits der digitalen Welt kann ich hier im wirklichen Leben erfolgreich sein", erklärt Köppl.

Wie Patienten von digitaler Abhängigkeit entwöhnt werden sollen

Handysüchtige Jugendliche, die in Berchtesgaden behandelt werden, kommen zunächst in Zweibettzimmer. Anschließend beginnen verschiedene Therapien, um die Patienten von der digitalen Abhängigkeit zu entwöhnen. Laut der stellvertretenden Chefärztin der Klinik "Schönsicht", Anke Joas, sei das Problem, dass handysüchtige Jugendliche soziale Bestätigung nur noch innerhalb der sozialen Medien erfahren – Jungen zum Beispiel in Videospielen, Mädchen eher bei Instagram oder TikTok. Wichtig sei es laut Joas deshalb, den Jugendlichen zu zeigen, dass sie ihr Smartphone gar nicht so dringend benötigen. "Wir streben tatsächlich eine medienfreie Woche an. Wir versuchen diese Panik zu durchbrechen, indem wir sagen: 'Eine Woche ohne geht auch!'"

Handysucht – ein immer größeres Problem

In Sachen Handysucht schlägt Klinikleiterin Iris Edenhofer Alarm. Sie stellt fest, dass sich die Probleme in den letzten Jahren vergrößert hätten. "Wir haben Kinder, die sich nicht mehr konzentrieren können", sagt Edenhofer. Die Noten fielen ab, die Kinder ließen sich nicht mehr motivieren und gingen nicht mehr vor die Tür. "Dann wird's kritisch", sagt Edenhofer, "auch wenn Aggression ins Spiel kommt oder sogar Diebstahl in der eigenen Familie". Aus Berchtesgaden haben die Ärzte dabei auch konkrete Forderungen an die Politik. Zum Beispiel: Medienbildung an Schulen stärker zu verankern.

Ministerin Prien bringt TikTok-Verbot ins Spiel

In der Münchner Runde im BR Fernsehen reagierte auch die Politik auf die wachsenden Sorgen in Sachen Handysucht. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) äußerte sich hier auch in Sachen möglicher Verbote. Auch wenn ein generelles Verbot für Social Media für Kinder unter 16 für sie nicht differenziert genug sei, zog die Ministerin dort jedoch ein Verbot für TikTok im Jugendalter in Erwägung. Klinikleiterin Edenhofer wünscht sich darüber hinaus jedoch auch einen flächendeckenden Ganztagesunterricht. Der Grund: Viele säßen sonst einsam zu Hause vor den Handys.

Klinikleiterin warnt vor gesellschaftlichen Problemen

Zudem betont Edenhofer, dass die Konsequenzen von Handysucht bei Jugendlichen schnell zu weiteren Krisen führen könnten. Edenhofers Begründung: "Weil diese Kinder, die schon jetzt süchtig sind, bringen wir später nur sehr schwer in Ausbildung und in berufliche Tätigkeiten."

Und Betroffene wie Karl? Insgesamt sechs Wochen haben sie in Berchtesgaden Zeit, wieder mehr Lust auf soziale Kontakte zu entwickeln – und vor allem zu lernen, digitale Medien verantwortungsvoller zu nutzen. 

Im Video: Münchner Runde - Macht Social Media uns krank?

Die Münchner Runde vom 12.11. mit dem Thema: Dauernd am Handy - Macht Social Media uns krank?
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Die Münchner Runde vom 12.11. mit dem Thema: Dauernd am Handy - Macht Social Media uns krank?

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