Blick von der Besuchertribüne auf die Sitzung des Bayerischen Landtages im Maximilianeum (Archivbild)
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Wie verkauft man den Bürgern Kürzungen? Eine Analyse

Wie verkauft man den Bürgern Kürzungen? Eine Analyse

Im Landtag musste die Koalition erklären, warum sie alle direkten Leistungen für Familien streicht. Eine Debatte mit Beispielcharakter fürs ganze Land. Ausnahme: die Beleidigung einer AfD-Abgeordneten durch einen Freien Wähler. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Normalerweise schwingt viel Selbstbewusstsein mit, wenn CSU-Abgeordnete ans Rednerpult des Landtags treten. Jetzt ist das anders: "Ich entschuldige mich bei den Familien", sagt Michael Hofmann. "Ich will nichts beschönigen oder schönreden", beteuert Thomas Huber. "Ein dummer Zufall" sei es, dass der Landtag etwas anderes diskutieren müsse als geplant.

Das ist nicht übertrieben: Auf der Tagesordnung des Plenums steht die Einführung des bayerischen Kinderstartgeldes. Es soll das Familiengeld ablösen, was konkret heißt: halbieren. Statt 6.000 Euro sollen Familien nur noch einmal 3.000 bekommen – beziehungsweise: sollten. Denn statt den Gesetzentwurf am Donnerstag zu beschließen, wird er grundlegend geändert: Nicht mehr kürzen will die Koalition die direkten Familien-Gelder, sondern komplett streichen. Die Abgeordneten von CSU und Freien Wählern müssen vertreten und umsetzen, was die Staatsregierung Anfang der Woche vereinbart hatte.

"Familienland Bayern"

"Schweren Herzens" habe man das entschieden, hatte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Haushaltsklausur seines Kabinetts gesagt.

Das Familiengeld ist wie das ebenfalls wegfallende Krippengeld eine staatliche Leistung, die es so nur in Bayern gibt. Eingeführt hatte sie Söder nach seinem Amtsantritt 2018 – Motto "Familienland Bayern". Seither versprachen CSU wie Freie Wähler wiederholt, an diesen Extra-Leistungen festzuhalten.

Wer spart und kürzt, verliert

Jetzt die Kehrtwende. Wie verkauft man so etwas? Wie erklärt man Familien die Streichung tausender Euro? Für praktische Erfahrungen müssen Politiker weit zurückgehen, zumal in Bayern. Eine Beobachtung, die manchen umtreibt: Wer kürzt und spart, verliert – wie Gerhard Schröder (Hartz IV), Edmund Stoiber (Sparpolitik), Robert Habeck (E-Auto-Prämie).

Deutlich mehr Übung und Freude haben Politiker, parteiübergreifend und seit Jahrzehnten, mit Aus- und Aufbauversprechen. Mehr Lehrer, mehr Kita-Plätze, mehr dies, mehr das. Notfalls halt wieder Schulden.

Eine neue politische Sprache

Neue Zeiten, neue Herausforderungen. Neuer Sound. Erste Regel politischer Verzichts-Kommunikation: Empathie zeigen. Markus Söder ging Anfang der Woche voran, mit seiner Wendung vom "schweren Herzen". Ebenso am Donnerstag im Landtag Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU). Kein Koalitionsabgeordneter wartete mit einer Blut-Schweiß-Tränen-Rede auf. Aber, siehe oben, mit ungekannter Demut: "Uns tut diese Entscheidung absolut weh", sagte der Christsoziale Hofmann.

Was es alles nicht gibt

Eine weitere Regel der Verzichtskommunikation: Sprich nicht von Sparen! Stattdessen: "Wir müssen klare Prioritäten setzen!" (Ulrike Scharf). Einerseits ist diese Wortwahl nicht zu beanstanden, weil drei Milliarden Euro in den nächsten Jahren nicht einbehalten werden, sondern statt an Familien ins Betreuungssystem fließen. Andererseits hätte man die Mängel im Kita-System sonst wohl mit zusätzlichem Geld beheben müssen. Schon bei Söder fiel auf, dass er von "Sparen" nur im Zusammenhang mit dem Staat sprach, "bei uns selber".

Ministerin Scharf hielt sich auch an die Sachlichkeits-Regel. Zwar neigt Scharf generell nicht zu wilden Zuspitzungen. Aber früher triumphierte sie durchaus, so etwas wie das Familiengeld gebe es "nur in Bayern". Und: "Das Schöne ist, dass es so unkompliziert ist." Heute klingt Scharf so: "Es gibt keinen Vertrauensschutz für politische Instrumente, wenn sich die Realität verändert."

Überhaupt hörte man im Landtag öfter, was es alles nicht gibt, zum Beispiel auch "keinen Automatismus" für immer mehr Geld, laut Bernhard Pohl (Freie Wähler).

Derselbe Pohl lässt auch ahnen, wie schwer Verzichtsbotschaften an die Wähler fallen. Als die russlanddeutsche AfD-Abgeordnete Elena Roon der CSU "Kriegstreiberei" gegen Russland vorwirft, lässt Pohl sich provozieren zum Zuruf, Roon solle "zurück nach Sankt Petersburg". Ihm droht ein Ordnungsruf vom Präsidium.

Ob dieses Kommunikationskonzept für weitere Verzichtsbotschaften taugt, muss sich zeigen. Bayerns Koalition erprobt es gerade.

Im Video: Die Pressekonferenz zum Haushalt in voller Länge (12.11.25)

v.li:Hubert AIWANGER (Freie Waehler,Wirtschaftsminister Bayern),Markus SOEDER (Ministerpraesident Bayern und CSU Vorsitzender), Albert FUERACKER (CSU,Finanz-und Heimatminister).
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Videobeitrag

Aiwanger, Söder, Füracker

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