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Die Gurkenernte gilt als härtester Job in der Landwirtschaft. Dazu klagen Landwirte über hohe Personalkosten – so sie überhaupt noch Personal finden. Abhilfe könnten Ernte-Roboter leisten, aber gerade für diese schwere Arbeit stagniert die Entwicklung der Maschinen. Das hat auch mit den Gurken selbst zu tun.
60 verschiedene Feld- und Ernte-Roboter sind derzeit auf dem Markt. Das meldet das Fachmagazin "Future Farming" (externer Link). Insgesamt waren im vergangenen Jahr fast 2.500 Roboter auf Deutschlands Feldern im Einsatz. Innerhalb von drei Jahren hat sich die Zahl nahezu verzehnfacht. Zuletzt ging der Run auf die Roboter allerdings zurück. Von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft heißt es, im vergangenen Jahr wurden in Deutschland weniger als 200 Roboter im Bereich der Freilandernte verkauft.
Roboter transportieren Feldfrüchte und hacken Unkraut
Bei den meisten elektronischen Helfern in der Landwirtschaft handelt es sich aber um Transportroboter, die die von Menschenhand geernteten Früchte vom Feld fahren. Weit verbreitet sind auch solche, die autonom Unkraut hacken, weiß Gunther Lehmann vom Maschinenring Deutschland. Bei Robotern, die selbst ernten können, stagniert der Fortschritt hingegen. Nur vier der derzeit 60 Modelle auf dem Markt sind dafür zu gebrauchen: Einer kann Spargel stechen, ein anderer zupft Erdbeeren, ein dritter zieht Radieschen aus der Erde, ein vierter gräbt nach Kartoffeln.
Die Preise für derartige Maschinen sind hoch, wie ein Online-Kaufratgeber zeigt. Ein Roboter für die Spargelernte kostet rund 400.000 Euro, ein anderer zur Erdbeer- und Traubenernte kann zwar zu einem Preis von etwa 60 Cent pro Kilo gemietet werden. Er kostet damit aber genauso viel, wie ein Mensch, der Erdbeeren pflückt und arbeitet wesentlich langsamer.
Im Video: Ein Roboter bei der Erdbeer-Ernte
Gurken machen es Ernte-Robotern besonders schwer
Für die schwere Arbeit auf dem Gurkenflieger gibt es hingegen noch keinen automatisierten Ersatz. Dabei wollen gerade diese Arbeit immer weniger Menschen verrichten. Unter anderem BR24-User "SpiegelbildDerGesellschaft" schreibt: "Wird Zeit, dass jemand auch für die Gurken die maschinelle Ernte erfindet." Und auch auf Youtube schreibt User "Angelus_Liberationis": "Es ist an der Zeit, dass diese Art von Knochenarbeit von Robotern verrichtet wird!"
Aber ist das so einfach? Bereits vor acht Jahren wurde ein Prototyp getestet – mit mäßigem Erfolg, wie Stefan Kirchner erzählt. Er ist Leiter des Instituts für Erwerbs- und Freizeitgartenbau bei der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau. Alleine die Unterscheidung von Gurke und Laub habe sich als schwierig für den Roboter erwiesen, sagt Kirchner. "Da die Gurke unter dem Laub fruchtet und beide grün sind." Auch das Bestimmen der richtigen Gurkengröße und damit des richtigen Zeitpunkts der Ernte war problematisch.
BR24-User "Rainbow5" fasst das gut zusammen, wenn er schreibt: "Das schonende Pflücken ist noch die einfachere Aufgabe, die man mit einem taktil empfindlichen Roboterarm lösen könnte. Die Erkennung einer grünen Frucht in einer grünen Umgebung, die Beurteilung, ob reif oder nicht und die Erfassung der Position benötigt vermutlich zusätzlich eine ausgefeilte Kameratechnik."
Entwickelt hatte den Prototypen das Fraunhofer-Institut. Katharina Strohmeier, die für den Bereich Produktionsanlagen bei Fraunhofer spricht, nennt einige weitere Probleme bei der Gurkenernte durch Roboter: Weil Gurken sehr unterschiedliche Formen haben können, sei es schwierig, passende Greifer zu entwickeln. Zudem sei die Ernte durch den Roboter zu langsam vonstattengegangen. Eine automatisierte Gurkenernte sei daher bis zuletzt nicht wirtschaftlich gewesen. Aus dem Fraunhofer-Institut heißt es aber auch: Einige der Probleme könnten in Zukunft durch neue Möglichkeiten künstlicher Intelligenz gelöst werden.
Roboter kann den Mensch nicht ersetzen
Besonders macht die Gurkenernte auch, dass die Pflanzen in Europa - anders als in den USA - mehrmals im Jahr geerntet werden, wie BR24-User "Democrazy" weiß: "Da wachst eine Gurke nach der anderen und die werden dann eben nacheinander geerntet."
Diesen Unterschied bestätigt Johanna Batjargal vom Bayerischen Bauernverband. Sie sagt: "Bei vollmechanischer Ernte muss das Feld in einem einzigen Durchgang komplett gerodet werden – es gibt also nur eine Ernte pro Saison. Das widerspricht der in Europa üblichen Praxis, bei der während der Saison alle paar Tage durch die Felder gefahren und selektiv geerntet wird, was in den kleineren Sortierungen resultiert."
Diese Mehrfachernte ermögliche eine bessere Nutzung der Fläche und einen höheren Gesamtertrag. In den USA hingegen habe sich die maschinelle Ernte von Einlegegurken zwar etabliert, dort seien die vermarktungsfähigen Gurken aber auch deutlich größer und entsprächen anderen Kriterien. Unter anderem die dort übliche ledrige, noppige Schale würde hierzulande nicht verkauft werden.
Günstige Gurken-Importe bremsen Entwicklung von Robotern
Einer weiteren Entwicklung des Prototyps für die europäische Gurkenernte stehe unter anderem auch die günstige Konkurrenz aus anderen Ländern im Weg. Batjargal erklärt: "Solange Einlegegurken als günstiges Importprodukt aus Indien oder der Türkei verfügbar sind, fehlt es dem Lebensmitteleinzelhandel und der verarbeitenden Industrie an wirtschaftlichem Interesse, in Innovationen der heimischen Erntetechnik zu investieren."
Und BR24-Userin "omahermine" macht auf einen weiteren Vorteil der Ernte durch den Menschen aufmerksam. Sie schreibt: "Maschinen sind gut für ungesunde Arbeit. Es gibt so viel einfache, nicht ungesunde Arbeit, die von Maschinen ersetzt wurden. Schon mal überlegt, dass das Menschen, die keine komplizierte Arbeit machen können oder möchten, die Möglichkeit nimmt, sich ihr Leben selbst zu verdienen?"
Im Video: So hart ist die Gurkenernte
Mindestlohn für Saisonarbeiter: So hart ist die niederbayerische Gurkenernte
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