Ein buntes Plakat mit der Aufschrift: "Wir müssen den Flüchtlingen helfen!"
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Flüchtlingshilfe in der Bayernkaserne
Bildrechte: BR/Philipp Kimmelzwinger
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Zehn Jahre Flüchtlingshilfe: Viele Ehrenamtliche ausgebrannt

Zehn Jahre Flüchtlingshilfe: Viele Ehrenamtliche ausgebrannt

2015 flüchteten Hunderttausende vor Krieg und Gewalt. In Deutschland sagten so viele Menschen wie nie zuvor: Wir helfen. Zehn Jahre später ziehen einige von ihnen Bilanz. Wie kann Integration gelingen, damit die, die sie tragen, nicht müde werden?

Über dieses Thema berichtet: Die BR24 Reportage am .

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Flüchtlingshilfe in der Münchner Bayernkaserne

Flüchtlingshilfe – 2015 war das noch ein "Nischenthema", sagt Eva Peteler. Schon damals bot sie das Sprachcafé in der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Würzburg an. Seit 16 Jahren kommt sie jeden Montag. Heute trifft sie Halim, 29 Jahre alt und vor zwei Jahren aus Afghanistan geflohen. Er will Deutsch lernen, ist aber bereits durch die B1-Prüfung gefallen. Peteler zweifelt, dass er es schafft - die Kurse seien zu theoretisch, zu weit weg vom Alltag. Und Behörden würden zusätzlich bremsen: "Wenn du alles kompliziert machst und unter Vorbehalte stellst, sind die Stellen überfordert."

2015 engagierte sich eine halbe Million Menschen für Geflüchtete

Seit 2015 hat sie viele Engagierte kommen und gehen sehen. Zehn Jahre Frust, Überforderung und politische Debatten – aber auch Erfolgserlebnisse. Wer integrieren wolle, brauche einen langen Atem.

Vor zehn Jahren waren die meisten Ehrenamtlichen noch voller Tatendrang: Ende 2015 stimmten mehr als 80 Prozent der Deutschen der Aussage zu: "Unser Land sollte Flüchtlingen helfen." Gut eine halbe Million Menschen engagierten sich aktiv in der Flüchtlingsarbeit, wie eine Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland zeigt.

94 Stellen in Bayern koordinieren Ehrenamtliche

Im Landkreis Main-Spessart konnten sich die Engagierten 2015 an Laura Senger wenden, die die Ehrenamtlichen koordinierte. Hunderten half sie bei der Soforthilfe – doch Integration ist mehr als Kleiderspenden, Kochen oder Fußballspielen. "Alles, was langfristig angelegt ist und Verpflichtungen mit sich bringt, ist oft nicht mehr leistbar", sagt Senger. Dennoch hält sie mehrere Hundert Ehrenamtliche "auf Reserve" bereit. Möglich machen das Integrationslotsinnen und -lotsen, finanziert vom Freistaat. In 94 der 96 bayerischen Städte und Landkreise unterstützen sie Ehrenamtliche, bündeln Angebote und schulen sie. Senger betont: "Integration funktioniert nur in beide Richtungen. Je offener die Gesellschaft für geflüchtete Menschen ist, desto mehr profitiert sie davon."

Unterstützung von Seiten der Behörden kann unterschiedlich ausfallen

Olga Klikau kennt das Gefühl, neu in einem fremden Land zu sein. Als Kind kam sie mit ihrer Familie aus Russland nach Deutschland. 2015 engagierte sie sich früh ehrenamtlich, heute arbeitet sie hauptberuflich in der Flüchtlingshilfe, unter anderem beim Verein Mrija in Würzburg, einem ukrainischen Beratungs- und Kulturzentrum. Sie erlebte, wie vor zehn Jahren mehr als 300.000 Syrerinnen und Syrer Asylanträge stellten – und später 1,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer Aufenthaltstitel beantragten. "Manche Jobcenter und Sozialämter haben plötzlich Briefe auf Ukrainisch verschickt – für kein anderes Land gibt es das", sagt Klikau. Gleichzeitig sei es "ein bisschen unfair", denn für arabische Geflüchtete gebe es weiterhin keine entsprechenden Anträge, etwa für Kindergeld. Geflüchtete aus Syrien oder arabischen Staaten sind daher auf ehrenamtliche Helferkreise angewiesen – die aber immer mehr wegbrechen.

Wo sind die Ehrenamtlichen von 2015 hin?

Studien zu Ausstiegsgründen fehlen, aber es gibt Erkenntnisse, warum Menschen gar nicht erst ein Ehrenamt beginnen: Zeitmangel, Beruf, Familie oder die fehlende passende Tätigkeit. Die Kritik an Behördenstrukturen und langwieriger Bürokratie äußern vor allem die, die noch aktiv sind. Migrationsforscherin Beate Glorius kommt zu dem Ergebnis, dass Ehrenamtliche oft das Gefühl haben, Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich staatliche Institutionen tragen sollten.

Das Bayerische Innenministerium erklärt: Integration sei eine Daueraufgabe, die nur gemeinsam bewältigt werden könne. Ehrenamtliche seien dabei eine unverzichtbare Stütze. Angebote wie die Integrationslotsen sollen sie entlasten. Letztlich müsse der Zuzug jedoch begrenzt werden, damit Integration gelinge.

Ehrenamtliche will "Begleitung auf Zeit"

Zurück bei Eva Peteler und Halim. Die ehemalige Ärztin ist seit 16 Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv und erwartet mittlerweile Verbindlichkeit: Wer zweimal nicht zum Sprachcafé kommt, fliegt raus. Sie schlägt eine zeitlich begrenzte Begleitung vor: "Begleitung auf Zeit, nicht unlimited. Das schafft eine andere Dynamik." Geflüchtete sollten intensiv unterstützt werden – beim Deutschlernen, bei Behördengängen, bei Wohnungssuche und Jobsuche – aber nur für einen bestimmten Zeitraum. So könnten Integration und Ehrenamtliche gleichermaßen profitieren, ohne dass letztere ausbrennen.

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