"Wir schaffen das": Es ist der wohl berühmteste Satz von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Gesagt hat sie ihn vor fast genau zehn Jahren in Zusammenhang mit der großen Zahl von Flüchtlingen, die nach Deutschland kamen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat nun Bilanz gezogen und die fällt gemischt aus.
Herrmann: "Hilfsbereitschaft war phänomenal"
Im Bayern 2-Interview lobte er vor allem die Hilfsbereitschaft der Menschen in Bayern 2015 als "phänomenal". Damals waren unter anderem am Münchner Hauptbahnhof täglich Hunderte Geflüchtete über die Balkanroute nach Deutschland gekommen.
"Es war ein guter Wille da, aber irgendwo sind dann natürlich auch in einem starken, großen Land wie Deutschland die Kapazitäten, die realen Möglichkeiten doch begrenzt", sagte Herrmann. "Der Bund selbst war nicht in der Lage, die Konsequenzen aus den Ankündigungen der Bundeskanzlerin eigentlich wirklich auch umzusetzen. Wir haben da schon Riesen-Probleme gehabt."
So habe es etwa zwei Jahre lang gedauert, bis der Bund das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das für die ganze Sachbearbeitung zuständig war, auf den entsprechenden Stand gebracht und genügend Mitarbeiter eingestellt habe.
Folgen nicht abschätzbar
Dennoch: "Wir haben vieles geschafft", so Herrmann. Jeder Geflüchtete habe ein Dach über dem Kopf bekommen, genug zu essen und zu trinken, aber schon nach wenigen Wochen habe sich eine Überforderung eingestellt. Es wäre unterschätzt worden, was es bedeute, die schiere Größe der Zahl an Menschen aus vor allem Syrien zu integrieren. Keinem sei damals die Dimension von Millionen Flüchtlingen bewusst gewesen.
Heute spüre man in ganz Europa die mehrheitliche Stimmung, dass es 2015 "zu viele Flüchtlinge in der Summe" gewesen seien und "dass nahezu alle europäischen Länder eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen wollen".
Herrmann betonte, wie wichtig qualifizierte Zuwanderung sei: "Wenn ich dran denke, dass wir im deutschen Gesundheitswesen über 5.000 Ärztinnen und Ärzte aus Syrien haben, die wir auch brauchen und wo wir froh sind, dass sich das so gut entwickelt hat". Aber wer nach 10 Jahren immer noch kein Deutsch spreche oder keine Arbeit aufnehmen wolle, sei "zu einer Belastung für unseren Sozialstaat" geworden.
Viele Geflüchtete von 2015 haben einen Job
Tatsächlich hat ein großer Teil der Asylbewerber von 2015 in Deutschland derzeit eine Arbeit. Laut dem Institut für Arbeitsmarktforschung beträgt ihre Beschäftigungsquote 64 Prozent. In der Gesamtbevölkerung liege sie mit 70 Prozent nur knapp darüber.
In der Studie "10 Jahre Fluchtmigration 2015" wird allerdings darauf hingewiesen, dass der Anteil der Männer mit Job unter den Geflüchteten mehr als doppelt so hoch sei wie der bei den Frauen.
Merkel: "Ich würde wieder so entscheiden wie 2015"
Und was sagt die Zitatgeberin selbst? Sie habe "keine Zweifel" daran, dass sie wieder so entscheiden würde wie vor zehn Jahren, so Angela Merkel in einem Interview für die ARD-Dokumentation "Merkels Erbe - 10 Jahre 'Wir schaffen das!'".
Die ehemalige Bundeskanzlerin räumte ein, dass ihre Entscheidung polarisiert habe, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge im Sommer 2015 in Deutschland aufzunehmen. "Und dadurch ist die AfD sicherlich auch stärker geworden. Aber ist das ein Grund für mich, eine Entscheidung, die ich für wichtig halte, für richtig halte, für vernünftig, für menschenwürdig gehalten habe, das nicht zu tun?", fragte sie.
Merkel bestritt zugleich, Deutschland überfordert zu haben: "Das glaube ich nicht. Deutschland ist ein starkes Land."
Mit Informationen von dpa und epd
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!