Von links nach rechts: Künstler Aviv, Jessica Flaster und Anita Kaminski.
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Zwei Jahre nach Hamas-Massaker: So geht es Juden in Bayern

Zwei Jahre nach Hamas-Massaker: So geht es Juden in Bayern

Zwei Jahre nach dem größten Terrorangriff in der Geschichte des Staates Israel geht es vielen Jüdinnen und Juden in Bayern nicht gut. Sie berichten von Unsicherheiten und Ängsten, auch aufgrund des wachsenden Antisemitismus.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Der israelische Musiker Aviv lebt seit elf Jahren in München und hat hier auch eine Familie gegründet. Ursprünglich stammt er aus einem der Kibbuzim, die am 7. Oktober 2023 von den Terroristen überfallen wurden. Zwei gute Freunde wurden an dem Tag ermordet, drei als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Jetzt hilft ihm seine Musik, das Geschehene zu verarbeiten. Er will damit aber auch die Hoffnung verbreiten, dass ein friedliches Zusammenleben weiterhin möglich ist. "Mein Ziel mit der Musik ist, Menschen zu verbinden", sagt er. "Ich kann diese Welt nicht korrigieren, aber meine Umgebung schon".

Aus Befürchtungen wurden konkrete Ängste

Was für den Israeli Aviv die Musik ist, ist für Anita Kaminski der Nymphenburger Schlosspark. Wenn alles zu viel wird, geht die Münchnerin im Park spazieren. Insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 ist er ihr "Kraftort".

"Mir geht’s schlecht, weil ich seitdem eine große innere Wende erlebt habe", erzählt die Münchnerin. "Ich hatte als Jüdin immer Befürchtungen, das hängt mit meiner Familiengeschichte zusammen, meine Eltern sind Holocaust-Überlebende und das Thema Shoah war immer gegenwärtig". Doch nun sei das Trauma wieder aufgebrochen und aus den Befürchtungen seien konkrete Ängste geworden. Zum Beispiel bei Nachrichten wie vergangene Woche aus Manchester, wo am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur ein Angreifer vor einer Synagoge Menschen attackiert und getötet hat.

"Gefühl, dass man sich für die Regierung Israels rechtfertigen muss"

Auch Anita Kaminski sagt, dass sie die Bilder aus Gaza umtreiben. Doch es gebe nur ganz wenige Menschen, die wirklich differenzieren könnten: "Die meisten können ja nicht einmal den Staat Israel und die Israelitische Kultusgemeinde auseinanderhalten", beklagt sie. "Und dieses Gefühl, dass man sich für die Regierung Israels rechtfertigen muss, das ist sehr groß – auch ich bin ja nicht mit allem einverstanden, was israelische Politik gerade anbelangt." Viele würden das nicht verstehen.

Jüdische Studierende: Die ganze Palette des Antisemitismus erlebt

Sich rechtfertigen zu müssen für etwas, das nichts mit Jüdinnen und Juden in Bayern zu tun hat, das kennt auch Jessica Flaster. Sie ist Vorsitzende des Verbandes jüdischer Studierender in Bayern.

"Wir haben in den vergangenen zwei Jahren die ganze Palette des Antisemitismus an den Universitäten erlebt", berichtet sie. Neben antisemitischen Aufklebern und Schmierereien seien sogar jüdische Studierende von anderen Kommilitonen als "Kindermörder" beschimpft worden, sagt Flaster.

So viele antisemitische Vorfälle wie noch nie in Bayern

Viele Jüdinnen und Juden in Bayern haben wieder Angst. Und dieses Gefühl ist nicht unbegründet: Allein in Bayern hat die Polizei im vergangenen Jahr fast 600 antisemitische Straftaten registriert. Das geht von Grabschändungen bis zu Körperverletzungen.

Und auch die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (kurz: RIAS) dokumentiert in Bayern Höchststände: 1.515 antisemitische Vorfälle – also auch jenseits von Straftaten – zählte sie 2024, rund doppelt so viele wie 2023 und etwa dreieinhalbmal so viele wie in den Jahren zuvor.

Spaenle: Nichts mehr so, wie es vor dem 7. Oktober war

Bayerns Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle sagt dazu: "Es ist nichts mehr in unserem Land für jüdische Menschen, wie es vor dem 7. Oktober gewesen ist. Wenn jemand als Jüdin, als Jude identifiziert wird, dann wird er direkt in politische Geiselhaft genommen für das Geschehen in Israel. Es werden wieder Juden verfolgt, man muss es so sagen."

Auf die Frage, wie es ihm gehe, muss Musiker Aviv lange überlegen. Dann antwortet er: "Kompliziert". Aber er sei jemand, der die Hoffnung nie aufgebe und optimistisch in die Zukunft blicke.

Das kann Anita Kaminski gerade nicht. Sie antwortet auf die Frage mit einem Spruch von Karl Valentin: "Die Zukunft war früher auch besser." Und dann erklärt sie: "Ich habe das nie verstanden, aber für uns Juden sieht die Zukunft nicht gut aus."

Musiker Aviv in München.
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Musiker Aviv in München.

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