Professor Mark Bray verlässt die USA. "Dr. Antifa" nennen ihn seine Studenten. Bray ist Experte für die antifaschistische Bewegung, der er nach eigenen Worten nicht angehört. Für die rechtspopulistische Organisation "Turning Point USA" des ermordeten Aktivisten Charlie Kirk ist Bray ein Terrorist. Mehr noch, seit September gilt "die Antifa" insgesamt als terroristische Organisation.
Dämonisierung und Generalverdacht
Bray sagte der Nachrichtenagentur AFP, Donald Trump und seine Anhänger versuchten, "den Begriff 'Antifa' auszuweiten und im Prinzip auf jeden anzuwenden, den sie nicht mögen". Der deutsche Antifa-Experte Richard Rohrmoser von der Universität Mannheim sieht das im Gespräch mit BR24 genauso: In Amerika sollen nach seiner Einschätzung auch friedliche antifaschistische Demonstrationen dämonisiert und unter Generalverdacht gestellt werden.
Antifaschismus ist nicht gleich Antifaschismus. Die einen wenden sich aus demokratischer Gesinnung heraus gegen Rechtsextremismus. Die anderen sagen, gerade die freiheitliche Demokratie sei mitverantwortlich für den "Faschismus". In diesem Spektrum keimen Extremismus und Gewalt. Der Verfassungsschutz beobachtet deshalb zahlreiche einschlägige Gruppen, die meist das Kürzel "Antifa" im Namen führen. Die AfD will diese militanten Gruppen verbieten und brachte kürzlich einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein.
AfD: Pauschalisierung der Antifa
Aber wie steht die Partei zum Antifaschismus als demokratische Haltung? Wir richten die Frage an Sebastian Münzenmaier, den Fraktionsvize der AfD im Bundestag. In seiner Antwort an BR24 wirft er den "selbsternannten Antifaschisten (…) totalitäres Freund-Feind-Denken" vor. "Unter dem Label des vermeintlich Guten" solle "unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung angegriffen werden". Mit dem "Vorwand, die Demokratie zu schützen", unterstütze obendrein der Staat "ausgerechnet diejenigen, die sie untergraben".
Nach Einschätzung des Bonner Populismus-Forschers Philipp Adorf wirft die AfD der gesamten Antifa vor, antidemokratisch, intolerant und gewaltbereit zu sein, letztlich also selbst faschistische Methoden anzuwenden. Die Partei wolle sich selbst als wahre Demokraten und Verteidiger der Meinungsfreiheit darzustellen.
Konstruktion eines linken Feindbildes
Doch der Partei geht es um mehr. Sie will nach Adorfs Befund ein weites Spektrum zivilgesellschaftlicher Organisationen diskreditieren, indem sie es in Zusammenhang mit "der Antifa" bringt. "Antifa" als negatives Framing – das ist eine mildere Variante der rechtspopulistischen Strategie in den USA unter Trump, wo in der offiziellen Lesart ein angeblicher "Terrorismus von innen" den Islamismus als Hauptbedrohung abgelöst hat.
"Die wahren Feinde im Innern sind dann gerade links vorzufinden", sagt Adorf im Gespräch mit BR24. Laut Rohrmoser ist es hier wie dort Ziel, "dem Antifaschismus generell ein Label der Anrüchigkeit aufzukleben".
Radikalisierung linksaußen
Der militante Teil der antifaschistischen Bewegung erleichtert dieses Labeln, er macht rechtspopulistische Angriffe auf die gesamte Bewegung einfacher. Und Richard Rohrmoser erkennt aufseiten der extremen Linken eine fortschreitende Radikalisierung. Der Wissenschaftler verweist auf die Prozesse gegen die mutmaßlichen Linksextremisten Lina E., Johann G., Maya T. in Ungarn und zuletzt Hanna S. in München.
Laut Rohrmoser begründen die Angeklagten ihre Gewalttaten damit, dass der Staat nichts oder nicht genug gegen Rechtsextremisten unternehme. Für Philipp Adorf tragen auch das Erstarken des Rechtspopulismus und die Sorge, den "Fehler von 1933" zu wiederholen, zur Radikalisierung bei. Adorf und Rohrmoser stellen fest: Militanter Antifaschismus bietet rechtspopulistischer Propaganda offene Flanken.
"Schlägertrupp der herrschenden Elite"?
Antifaschismus ist – nicht zuletzt mit Blick auf die deutsche Vergangenheit – hierzulande moralisch stark aufgeladen. "Ich bin Antifaschist" kann jeder Demokrat problemlos von sich sagen. Und – das ist die Kehrseite – man kann im Namen des Antifaschismus leicht undemokratische Taten und Ideen rechtfertigen. Richard Rohrmoser formuliert es so: "Antifaschismus ist die eierlegende Wollmilchsau der Symbolpolitik."
Sind Rechtspopulisten unter diesen Umständen überhaupt in der Lage, erfolgreich gegen den in der Gesellschaft fest verschraubten antifaschistischen Konsens anzugehen? Philipp Adorf meint ja. Die Agitation gegen "die Antifa" könne problemlos in die populistische Erzählung von der übelwollenden, das "Volk" schikanierenden "Elite" integriert werden. In der Sicht der Populisten sei "die Antifa" insgesamt dann so etwas wie "der Schlägertrupp einer herrschenden Elite".
Antifaschismus wird an beiden Enden des ideologischen Spektrums instrumentalisiert, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Rechtspopulisten wollen Antifaschisten diskreditieren, indem sie das Negativbeispiel der militanten "Antifa"-Gruppen auf alle Antifaschisten übertragen. Die radikale Linke wiederum rechtfertigt mit dem positiv besetzten Antifaschismus-Begriff Gewalt und Militanz.
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