Der SPD-Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf ist nach einem von ihr und ihrem Mann in Auftrag gegebenen Kurzgutachten kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen. "Die Prüfung hat ergeben, dass die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben", erklärten die Rechtsanwälte Michael Quaas und Peter Sieben von der Anwaltskanzlei Quaas und Partner in einem Begleitschreiben. Das Gutachten sei jedoch ausdrücklich vorläufig, wie die Stuttgarter Kanzlei betont. Eine ausführliche Bewertung soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Am Freitag war die Wahl zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagenen, aber zu diesem Zeitpunkt für ihre Positionen umstrittene Juristin Brosius-Gersdorf (Stichwort: Abtreibungsrecht, Kopftuchverbot, Corona-Impfpflicht, AfD-Verbot) war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren.
Plagiatsvorwürfe kurz vor geplanter Richterwahl
Kurz zuvor waren am selben Tag auch Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf öffentlich geworden. Der österreichische Plagiatssucher Stefan Weber hatte Parallelen zwischen ihrer Doktorarbeit und der Habilitationsschrift ihres Mannes veröffentlicht.
Die von Frauke Brosius-Gersdorf und ihrem Mann in Auftrag gegebene Kanzlei hatte ähnliche Fußnoten, Textstellen und Ähnlichkeiten in Überschriften untersucht. Es sei dabei nur um wenige Stellen gegangen, welche quantitativ und qualitativ nicht ins Gewicht fielen. Auch sei die Habilitationsschrift ihres Mannes später erstellt worden als die von Brosius-Gersdorf selbst. Teilweise ähnliche Ausführungen deuteten "allenfalls auf einen gedanklichen Austausch hin, nicht aber darauf, dass einer der Beteiligten von der oder dem anderen, ohne dies kenntlich zu machen, Inhalte übernommen hätte. Das heißt, ein Plagiatsvorwurf steht schon per Definition nicht im Raum", so die Kanzlei.
Richterwahl: Grüne hoffen auf Festhalten an Kandidatur
In der Debatte um die Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht hofft die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann, dass Brosius-Gersdorf an ihrer Bewerbung festhält und forderte erneut eine Sondersitzung des Bundestags, um die am Freitag vorläufig abgesagte Richterwahl abzuhalten. "Ich wünsche mir, dass sie bei ihrer Kandidatur bleibt und ich wünsche mir vor allen Dingen, dass die CDU/CSU sich nicht von der AfD so treiben lässt", sagte Haßelmann am Mittwoch im ARD-"Morgenmagazin".
Linke lehnen Sondersitzung ab
Die Linke lehnt eine Sondersitzung des Bundestags in der parlamentarischen Sommerpause dagegen ab. Parteichefin Ines Schwerdtner wandte sich im ARD-"Morgenmagazin" gegen einen entsprechenden Vorstoß der Grünen. "Ich bin strikt gegen eine Sondersitzung, bis nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen und auch geklärt sind", sagte sie.
Eine Sondersitzung, die am Ende 200.000 Euro koste, wenn man alle Abgeordneten aus der Sommerpause zurückhole, sei überhaupt nicht zu legitimieren. Die Regierung sei jetzt in der Pflicht, eine Einigung über die Kandidaten für das Bundesverfassungsgericht herbeizuführen. "Sonst werden wir das Theater noch einmal aufführen."
AfD hält Nominierung für politisch motiviert
Stephan Brandner, stellvertretender AfD-Bundessprecher, betrachtet dagegen die Nominierung sowohl von Brosius-Gersdorf als auch der zweiten SPD-Kandidatin, Ann-Katrin Kaufhold, für das Bundesverfassungsgericht als politisch motiviert, um am Parlament vorbei politische Vorhaben durchzudrücken.
Brosius-Gersdorf bezog am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" die gegen sie erhobenen Vorwürfe noch einmal Stellung und betonte ihre Neutralität.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat angekündigt, dass er das weitere Vorgehen in den kommenden Wochen innerhalb der schwarz-roten Koalition besprechen will.
Mit Informationen von dpa
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