Professorin Frauke Brosius-Gersdorf bei Markus Lanz
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Die umstrittene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Brosius-Gersdorf, will an der Kandidatur festhalten.
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Die umstrittene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Brosius-Gersdorf, will an der Kandidatur festhalten.

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Brosius-Gersdorf in Offensive – Rückzug nicht ausgeschlossen

Brosius-Gersdorf in Offensive – Rückzug nicht ausgeschlossen

Die von der SPD nominierte Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Brosius-Gersdorf, will an der Kandidatur festhalten. In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" schränkte sie aber ein, sie würde sofort verzichten, sollte dem Gericht Schaden drohen.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Vormittag am .

Die von der SPD für das Bundesverfassungsgericht nominierte Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf will an ihrer Kandidatur festhalten. In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" (externer Link) schränkte sie aber ein, sie würde sofort verzichten, sollte dem Gericht in der Debatte um die geplatzte Richterwahl Schaden drohen. "Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten", so Brosius-Gersdorf.

"Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten. Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land", betonte die Rechtsprofessorin. Es gehe nicht mehr nur um sie. "Es geht auch darum, was passiert, wenn sich solche Kampagnen, und es war in Teilen eine Kampagne, durchsetzen, was das mit uns macht, was das mit dem Land macht, mit unserer Demokratie."

"Tausende Zuschriften und Anrufe aus der Bevölkerung"

Brosius-Gersdorf sagte, sie habe Tausende Zuschriften und Anrufe aus der Bevölkerung, aus der Politik, von Pfarrern, von Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtswissenschaft und anderen Disziplinen erhalten, die sie nachhaltig aufgefordert hätten, jetzt nicht zurückzustecken. Sie habe aber auch Drohungen per Mail und "Poststücke mit verdächtigem Inhalt" bekommen.

Am Freitag war die Wahl zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagenen, aber zu diesem Zeitpunkt für ihre Positionen umstrittene Juristin Brosius-Gersdorf (Stichwort: Abtreibungsrecht, Kopftuchverbot, Corona-Impfpflicht, AfD-Verbot) war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren.

Debatte entzündet sich bei Abtreibungsfrage 

Als Hauptkritik an Brosius-Gersdorf kristallisierte sich der Aspekt des Abtreibungsrechts heraus. Die Juristin hatte an einem Bericht der Kommission zur "reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin" (externer Link) mitgeschrieben und ihn im vergangenen Jahr vorgestellt.

Professorinnen und Professoren gaben darin eine Einschätzung zu Fragen der Bundesregierung ab. Und sie machten deutlich, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland unter bestimmten Umständen zwar straffrei, aber dennoch rechtswidrig sei – ein Dilemma der Verfassung. Gelöst werden könne das Problem, indem das ungeborene Leben nicht die gleiche Menschenwürde erhalte wie das geborene – oder aber, wenn die Menschenwürde abgewogen werden könnte. Positioniert haben sich die Juristen in dieser Frage nicht.

"Vertrete gemäßigte Positionen aus der Mitte der Gesellschaft"

"Ich bin nie eingetreten für eine Legalisierung oder Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt", betonte Brosius-Gersdorf. "Es ist auch falsch, dass ich gesagt haben soll oder geschrieben haben soll, dass der Embryo kein Lebensrecht hat."

Im ZDF erneuerte sie auch ihre Kritik an der Berichterstattung mancher Medien. Über ihre Position zum Schwangerschaftsabbruch sei in manchen Medien "schlicht falsch berichtet worden". Brosius-Gersdorf betonte: "Ich vertrete absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft." Dies könne jeder nachlesen.

Auch an den Stellungnahmen mancher Bischöfe zu Brosius-Gersdorf wird mittlerweile Kritik laut: Verfassungsrechtler Alexander Thiele etwa empfindet es als problematisch, dass sich die Kritik nicht auf die christliche Lehre stützten, sondern in der Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf einen Angriff auf die Verfassungsordnung sähen. "Hier ist dann doch auf der Trennung der weltlichen von der religiösen Ebene zu bestehen - das Grundgesetz ist keine 'christliche Verfassung'."

Kritik an Äußerungen von katholischen Bischöfen

Die Bischöfe von Passau und Regensburg, Stefan Oster und Rudolf Voderholzer, hatten im Vorfeld der geplanten Wahl von Brosius-Gersdorf vor einem "radikalen Angriff auf die Fundamente unserer Verfassung" gewarnt. In seiner Predigt am vergangenen Sonntag bezeichnete der Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl, die politische Personalentscheidung als "Skandal". Mit einem solchen Statement entstehe nachgerade der Eindruck, bei Frau Brosius-Gersdorf handele es sich um eine Verfassungsfeindin, so Thiele. "Das ist deutlich zurückzuweisen."

Kritisch sieht der Ethikratsvorsitzende Helmut Frister die gescheiterte Verfassungsrichterwahl insgesamt. Das werfe ein schlechtes Licht auf die politische Kultur in Deutschland. Frister warnte, hoch qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber könnten es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sich so etwas antun wollen.

Mit Informationen von KNA und dpa

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