Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat im ZDF-Sommerinterview vorgeschlagen, allen geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern das Bürgergeld zu streichen und ihnen künftig nur die geringeren Asylbewerberleistungen zu zahlen. Damit, sagte Söder, sollten sie schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Dieser Plan stieß in der SPD und bei den Grünen auf scharfe Kritik: "Er tritt gegen Menschen, die vor dem brutalen Krieg Putins fliehen mussten, stellt sie als faul dar und nimmt ihnen gleichzeitig jede Chance auf Arbeit", sagte beispielsweise der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Andreas Audretsch.
Nach Angaben des Statistikamts der Europäischen Union, Eurostat, leben aktuell in Deutschland etwa 1,2 Millionen geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer – mehr als in jedem anderen EU-Land. Allerdings müssen diese Werte auch in Relation zur Einwohnerzahl gesehen werden, um einen fairen Vergleich zwischen den Ländern zu ermöglichen.
Grafik: Ukrainische Geflüchtete in der EU und umgerechnet je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner
Die damalige Bundesregierung beschloss 2022 nach einer gemeinsamen Vereinbarung der EU-Mitgliedstaaten, Ukrainerinnen und Ukrainer nicht in ein langwieriges Asylverfahren zu schicken, sondern anerkannten Flüchtlingen gleichzustellen. Seit Juni 2022 haben sie dadurch auch einen Anspruch auf Grundsicherung.
Und für sie gilt das, was für alle gilt, die auf Grundsicherung angewiesen sind: Sie müssen hilfsbedürftig sein – bestätigt das Bundesarbeitsministerium. Der Antrag auf Bürgergeld sieht eine Selbstauskunft zu den Vermögensverhältnissen vor wie zum Besitz von Immobilien, Bargeld, Aktien. Wenn Zweifel bestehen, dann werden Nachweise eingefordert – heißt es auf Nachfrage von BR24 bei der Bundesagentur für Arbeit.
90.000 Ukrainer in Bayern regelleistungsberechtigt
Nach Angaben der Agentur für Arbeit waren im April 2025 rund 700.000 Menschen aus der Ukraine regelleistungsberechtigt, das bedeutet, sie haben Anspruch auf Bürgergeld. Etwa 500.000 davon sind "erwerbsfähig leistungsberechtigt", also hilfsbedürftig, mindestens 15 Jahre alt, nicht im Rentenalter und im Stande, drei Stunden pro Tag zu arbeiten.
Hierunter fallen beispielsweise auch Jugendliche, die Bürgergeld erhalten und als erwerbsfähig gelten – auch wenn sie noch zur Schule gehen. In Bayern sind etwa 90.000 Ukrainerinnen und Ukrainer regelleistungsberechtigt, 63.000 von ihnen erwerbsfähig.
Grafik: So hat sich die Zahl der leistungsberechtigten Ukrainerinnen und Ukrainer entwickelt.
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Immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten
Immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer finden in Deutschland eine Arbeit. Im Mai 2025 lag die Beschäftigungsquote in Deutschland bei 35 Prozent – in Bayern sogar bei 40. Vor zwei Jahren, im Mai 2023, war sie noch deutlich niedriger (23 Prozent in Deutschland). In Bayern sind knapp 50.000 Menschen aus der Ukraine sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Grafik: Anstieg der Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern
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Im EU-Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld. Die Niederlande oder Dänemark waren anfangs spitze bei der Vermittlung. Deutschland verfolgt ein anderes Konzept: Lieber Weiterbilden und die Sprache erlernen lassen. Auf Dauer sei so die Vermittlung nachhaltiger.
Die eigentlich gut qualifizierten Menschen aus der Ukraine könnten so besser als Fachkraft vermittelt werden – betont das IAB, das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Mit einem eigens aufgelegten Projekt "Job-Turbo" wurden die Vermittlungsbemühungen verstärkt. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht die Möglichkeiten nicht vor und auch keine Pflicht, sich daran zu beteiligen oder Arbeit aufzunehmen.
Ifo-Studie: Jobchancen für Geflüchtete wichtiger als Sozialleistungen
Eine aktuelle Studie des Ifo-Instituts (externer Link) kam zudem zu dem Ergebnis, dass Geflüchtete aus der Ukraine sich eher für Länder mit guten Jobchancen entscheiden würden: "Die Aussicht auf einen Arbeitsplatz, der zur eigenen Qualifikation passt, und ein höheres Lohnniveau haben einen deutlich stärkeren Effekt auf die Entscheidung der Geflüchteten, in welches Land sie gehen, als Sozialhilfen oder andere staatliche Leistungen", fasste der Leiter des Ifo-Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik, Panu Poutvaara, die Studie zusammen. Lohnunterschiede spielen demnach eine fast viermal stärkere Rolle bei der Wahl des Ziellands als Unterschiede in Sozialleistungen.
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