Kabinett verschärft Kurs in Migrationspolitik
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Geflüchtete vor einem wartenden Bus in Gießen

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Bundeskabinett verschärft Kurs in Sachen Migration

Bundeskabinett verschärft Kurs in Sachen Migration

Der Familiennachzug für Geflüchtete ohne Asylstatus wird ausgesetzt, auch die sogenannte "Turbo-Einbürgerung" ist vom Tisch: Das Kabinett hat entsprechende Pläne von Bundesinnenminister Dobrindt gebilligt. Kritik kommt unter anderem von den Kirchen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Alexander Dobrindt (CSU) spricht von einem "entscheidenden Tag" – im Kampf gegen die irreguläre Migration und zur Entlastung von Ländern und Gemeinden. Das Kabinett habe sich auf drei wesentliche Gesetzesänderungen verständigt, so der Bundesinnenminister am Vormittag auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Beschleunigte Einbürgerung wird gestrichen

Als Erstes nennt Dobrindt die sogenannte "Turbo-Einbürgerung" nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland, die von der Ampel-Regierung eingeführt worden war. Sie werde "ersatzlos gestrichen", erklärte Dobrindt. Statt nach drei Jahren soll ein deutscher Pass jetzt erst wieder nach frühestens fünf Jahren vergeben werden. Damit habe man einen "Pull-Faktor der Anziehungskraft" beseitigt, so der Innenminister.

An zweiter Stelle führt Dobrindt das Ziel der "Begrenzung" an. Dieses Wort sei von der Vorgänger-Regierung mit Blick auf die Migration gestrichen worden, die jetzige Regierung nehme es wieder auf.

Familiennachzug für "subsidiär Geschützte" wird ausgesetzt

Außerdem dürfen Menschen, die bei uns keinen Asylstatus haben, aber aus anderen Gründen vorerst bleiben dürfen, keine Familien-Mitglieder mehr nachziehen lassen. Davon betroffen sind hierzulande knapp 380.000 Menschen, vor allem Syrer. Bisher konnten pro Monat rund tausend enge Angehörige dieser "subsidiär Geschützten" nach Deutschland kommen. Damit sei jetzt erst einmal Schluss, sagt Dobrindt. Die Aussetzung dieser Regelung gilt für zwei Jahre.

Der Minister betont, man habe den Familiennachzug schon einmal entsprechend begrenzt, in den Jahren 2016 bis 2018. Insofern sei auch klar, dass bei diesem Instrument Rechtssicherheit bestehe. Dobrindt betont, man leiste damit einen wichtigen Beitrag, um die Kommunen zu entlasten, die an vielen Stellen überfordert seien. Die "fehlende Lösung der Aufgabe Migration" habe maßgeblich dazu beigetragen, dass die Gesellschaft polarisiert sei. Dem wolle er entgegenwirken.

Kritik von Kirchen, Grünen und Sozialverbänden

Vor allem die Aussetzung des Familiennachzugs stößt auf Kritik bei den Kirchen. Dadurch müssten die Schutzsuchenden längere Zeit von ihren engsten Angehörigen leben – ethisch fragwürdig, findet der in der deutschen Bischofskonferenz für Migrationsfragen zuständige katholische Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße. Der besondere Schutz von Familien, der im Grundgesetz veranktert ist, müsse auch für Flüchtlingsfamilien gelten.

Der Kritik schließt sich auch das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken an. Das größte Laiengremium der katholischen Kirche in Deutschland sieht im Familienleben "die Voraussetzung für ein gutes Miteinander". Deshalb sei es integrationspolitisch hochgradig fragwürdig, den Familiennachzug auszusetzen, heißt es in einer Mitteilung. Stattdessen sei eine Einwanderungspolitik nötig, "die Zuwanderung als Bereicherung begreift und Integration als gemeinsamen Prozess gestaltet – getragen von Willkommenskultur, Respekt und gesellschaftlicher Teilhabe", so das ZdK.

Grüne: Gibt "nichts geordneteres als den Familiennachzug"

Auch der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Berliner Bischof Christian Stäblein, hatte die Bundesregierung aufgefordert, am Familiennachzug festzuhalten. "Der Zusammenhang und Zusammenhalt der Familie ist entscheidend für ein gutes Ankommen", sagte Stäblein der "Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft". Wer mit seinen Nächsten in Sicherheit leben dürfe, "findet schneller Halt, lernt leichter unsere Sprache, kann sich besser integrieren und wird eher Teil unserer Gesellschaft".

Der paritätische Gesamtverband spricht indessen von einem "massiven Eingriff in Grund- und Menschenrechte". Und Grünen-Parteichef Felix Banaszak erklärt, in der Migration gebe es "nichts Geordneteres als den Familiennachzug". Niemand könne ihm erklären, wie Deutschland sicherer werden solle, wenn man allein reisenden jungen Männern den Kontakt zu ihren Familien erschwere oder sogar verwehre.

Zwei Hürden müssen Dobrindts Gesetzespläne nun noch nehmen: Bundestag und Bundesrat müssen noch grünes Licht geben. Dobrindt rechnet damit, dass das noch im Juni passiert.

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