Anders als die Bahn beginnt die Pressekonferenz in Berlin zur Bahn-Strategie pünktlich – aber mit einer kurzfristigen Ankündigung per Mail, die die Namen der Sprecher auf dem Podium verrät. Der Leiter der Konferenz kann sich an keine Pressekonferenz erinnern, "wo wir so knapp vor dem Beginn (…) erst die Teilnehmer des Podiums mitteilen konnten. Aber das hatte seine Gründe".
Der Grund ist die Südtirolerin Evelyn Palla. Sie ist die Wunschkandidatin des Verkehrsministers für den Bahn-Chefposten. Als erste Frau überhaupt an der Spitze soll sie den Bahn-Konzern übernehmen – und damit verbunden auch die vielen Baustellen. Sie habe den passenden Blick: von innen und außen, meint Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU). Auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) glaubt, dass Palla "die Bahn wieder zurück in die Erfolgsspur" bringen könnte.
- Zum Artikel: Bahnstrategie – Pünktlichkeit verspätet sich leider
Österreichische Bahn als Vorbild
Die 51-jährige Managerin kennt die Bahn-Branche: Seit 2019 ist sie bei der Deutschen Bahn, 2022 war sie für die DB Regio verantwortlich, für den Nahverkehr. Der steht – im Gegensatz zum Fernverkehr – nicht schlecht da, die Pünktlichkeit liegt bei über 90 Prozent, schreibt sogar schwarze Zahlen. Zuvor war Palla bei der Österreichischen Bundesbahn tätig.
Die Österreichische Bahn gilt vielen als Vorbild – mit einem Unterschied zu Deutschland: Dort habe Palla erlebt, wie es laufen kann, wenn parteienübergreifend Geld und Rückhalt für das System Bahn da sei. Jährliche Steuermittel, die in die Bahn fließen – planbare Beträge, die in Österreich dazu führen, dass "wir heute eine sehr gut ausfinanzierte Infrastruktur haben", so Palla. Die Infrastruktur ist die Grundlage für die Bahn. Deutschland dagegen kämpft mit einem maroden Schienennetz.
Bahn kämpft mit Pünktlichkeit
Doch für Palla und die Bahn gibt es eine Finanzspritze: das Sondervermögen Infrastruktur. Neue, historisch hohe Schulden – 100 Milliarden Euro davon sollen bis 2029 in die Schienen fließen. Palla steht für den personellen "Neuanfang", den Bundesverkehrsminister Schnieder mit seiner Bahn-Strategie angehen will.
Sie wird auch für den ausgerufenen inhaltlichen Neustart zuständig sein – und der ist dringend erforderlich. Denn: "Pünktlich wie die Bahn – war einmal", so der Verkehrsminister. Nur 60 Prozent der Fernzüge sind aktuell pünktlich. Anfang Juli 2025 waren erstmals in der Geschichte an drei Tagen in Folge sogar weniger als 40 Prozent der Fernzüge pünktlich.
Das Ziel des Verkehrsministers mit Strategie: 70 Prozent pünktliche Fernzüge bis Ende 2029. Kein Glanzwert – angesichts der schlechten Pünktlichkeitswerte aber realistischer, wie es heißt.
Im Video: Bahnstrategie – Pünktlichkeit verspätet sich leider (BR24live am 22.9.2025)
Patrick Schnieder und Evelyn Palla
Palla: "Nichts wird schnell gehen"
Realistisch zeigt sich auch Palla: Sie verspricht zwar eine "neue Ära", dämpft aber Erwartungen: "Nichts wird schnell gehen. Das ist kein Sprint. Die Sanierung der Eisenbahn-Infrastruktur ist ein Marathon." Wunder brauche keiner erwarten über Nacht, es gebe keinen Schalter, den man einfach so umlegen könne. Klar ist: Wenn künftig saniert wird, bedeutet das Baustellen, Umleitungen, Zugausfälle – und damit vor allem eine Geduldsprobe für die Bahnkunden.
Neben langfristigen Projekten gehören zur Strategie auch Sofortprogramme ab 2026: 1.000 Bahnhöfe sollen bis 2035 sicherer, sauberer und barrierefrei werden. Defekte Toiletten, unzuverlässiges WLAN und widersprüchliche Durchsagen sollen der Vergangenheit angehören. Die wohl nächste Bahn-Chefin hat die Qualität auch zur Chefinnensache gemacht.
EVG: Widerstand gegen Personalien
Aus Politik und Wirtschaft gibt es viel Lob für Palla. Auch unter Bahn-Mitarbeitern genießt sie Respekt: Sie besitzt selbst einen Lokführerschein. Die Fragen aber lauten, was von all dem Angekündigten wirklich umgesetzt wird, ob die Bahn wirklich aus der Krise kommt und vor allem: mit wem? Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) will im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn gegen die designierte neue Konzernchefin stimmen.
Der Widerstand richtet sich nicht primär gegen Palla, sondern gegen eine weitere Personalie. Verkehrsminister Schnieder will Dirk Rompf zum Chef der Infrastruktur-Tochter DB InfraGO machen. Der aber stehe für die EVG für einen Sparwahn, der das Netz habe verkommen lassen. Wohin die Bahn steuert und wer sie dorthin führt, wird sich zeigen – einfach wird die Strecke nicht.
Im Video: Neue Bahn-Chefin vor schwierigen Aufgaben
Unpünktliche Züge, viele marode Strecken. Die Bahn ist in der Krise, die Kunden seit langem unzufrieden. Die neue Bahnchefin gelobt Besserung.
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