Papst Leo XIV.
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Vertreter von Missbrauchsbetroffenen treffen Papst Leo XIV.
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Vertreter von Missbrauchsbetroffenen treffen Papst Leo XIV.

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"Echter Meilenstein": Papst Leo trifft Missbrauchsbetroffene

"Echter Meilenstein": Papst Leo trifft Missbrauchsbetroffene

Eine Stunde hat der Papst mit Vertretern eines Betroffenennetzwerks gesprochen, was er tun könne, um das Thema Missbrauch systematischer anzugehen. Teilnehmer sprechen von einem "deutlichen Schritt nach vorne" im Umgang mit sexualisierter Gewalt.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Nachrichten am .

Sechs Vertreter von Missbrauchsbetroffenen haben sich kürzlich mit Papst Leo XIV. im Vatikan getroffen. Rund eine Stunde hat das Gespräch gedauert - im Vergleich zu anderen Papst-Audienzen durchaus ein langes Treffen.

Das Netzwerk "Ending Clergy Abuse" (Missbrauch durch Kleriker beenden) gibt es seit 2018. Es ist eine Vereinigung, die Menschen aus 30 Ländern vertritt. Viele, die sich dort engagieren, haben selbst sexualisierte Gewalt und Missbrauch erlebt, oder sind Menschenrechtsanwälte und Aktivisten.

Missbrauchsbetroffene haben lange "am Zaun gerüttelt"

Auch Matthias Katsch vom Eckigen Tisch, der Interessenvertretung von Missbrauchsbetroffenen in Deutschland, war dabei und zeigte sich optimistisch, dass der neue Papst in Zukunft anders mit dem Thema Missbrauch umgehen werde. "Wir haben viele Jahre quasi vor der Tür am Zaun gerüttelt, Vorschläge gemacht oder versucht ins Gespräch zu kommen", blickt Katsch zurück.

Papst Leo XIV. hätte sich sogar persönlich, kurz nach seinem Amtsantritt, auf einen Brief des Netzwerks gemeldet und den Termin vorgeschlagen. Katsch bezeichnet das Gespräch als "wichtigen Meilenstein" im Umgang der katholischen Kirche mit dem Thema Missbrauch.

"Franziskus hat sich mit Betroffenen getroffen, auch sehr persönlich, aber da stand immer das persönliche Leid im Vordergrund und der Papst ist dort immer mehr als Seelsorger aufgetreten statt als Vertreter einer Institution, die Schuld auf sich geladen hat und angemessen reagieren sollte", blickt Katsch zurück. Ein solches Treffen habe es mit Franziskus daher nicht gegeben: "Das ist tatsächlich historisch, weil zum ersten Mal nicht einzelne Betroffene mit einem Papst zusammentreffen, sondern eine Betroffenen-Organisation."

Null-Toleranz-Politik gefordert

Im Gespräch ging es Leo darum, was er aus seiner Position heraus tun könne. Katsch nannte zentrale Vorschläge der Interessenvertretung: Sie fordern eine Kirchenrechtsreform, leichteren Zugang zu Archiven, Akten und Dokumenten und eine Null-Toleranz-Politik.

Wie diese Null-Toleranz-Politik aussehen könnte, dazu hat der Jesuitenpater Hans Zollner in der Vergangenheit bereits Vorschläge gemacht. Zollner ist ein international anerkannter Fachmann in Sachen Missbrauchs-Prävention. Er verließ 2023 die päpstliche Kommission zum Schutz von Minderjährigen und warf dem Vatikan mangelnde Transparenz bei Finanzen und Entscheidungswegen vor.

Seiner Ansicht nach sind Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Transparenz nötig, um in der Praxis eine echte Veränderung zu realisieren. "Bei der Verantwortungsübernahme geht es darum, entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen, dass man Leute ausbildet und sie auch mit Durchgriffsrechten ausstattet", fordert Zollner. Rechenschaftspflicht heiße, wenn ein Bischof oder ein Provinzial nicht das tut, was das Kirchenrecht vorschreibt, wie diese dann zu untersuchen und zu bestrafen seien. "Und Transparenz: Wie gehen wir mit den kirchlichen Strafverfahren gegen Angeschuldigte um, wie teilen wir das mit, wie gehen wir damit um auf eine transparente Art und Weise."

Braucht mehr Verbündete als nur den Papst

Auch Hans Zollner ist optimistisch, dass das Treffen ein erster Schritt in die richtige Richtung sei, auch, weil Leo bereits als Bischof in Peru gezeigt habe, schnell und konsequent handeln zu können. "Er ist ja selber Kirchenrechtler und weil er auch Erfahrungen im Orden, in einer Diözese und in Rom hatte, dass er systematischer und systemischer an die Dinge rangehen wird."

Doch auch wenn der Papst mit gutem Beispiel voranginge, braucht es laut dem Jesuiten mehr Verbündete als den Papst, um einen echten Wandel in der katholischen Kirche zu bewirken. "Die Vorstellung, dass der Papst einen roten Knopf hat, auf den er drückt und dann alle machen, was er sich vorstellt, die habe ich vor vielen Jahren schon aufgegeben", sagt Zollner. "Im Gegenteil, es gibt Bischöfe und Kardinäle, die nicht nur nicht mitziehen, sondern öffentlich den Chef kritisieren."

Das Ziel sei daher, eine neue Kultur zu etablieren, in der sich jeder verantwortlich fühlt, an seiner Position aktiv dafür zu sorgen, dass sich Menschen sicher fühlen und, dass bei Grenzüberschreitungen eingegriffen wird.

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