Politiker von Union und SPD haben sich für den neuen Wehrdienst auf eine flächendeckende Musterung für alle jungen Männer ab 18 Jahren geeinigt – ab dem Geburtsjahr 2008. Bei einem Scheitern der Freiwilligkeit soll der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden können, bei der auch ein Zufallsverfahren zur Auswahl genutzt werden kann. Mit Beginn des neuen Jahres soll mit dem Verschicken von Fragebögen an alle jungen Männer ab 18 verschickt werden - und auch an Frauen. Auch diese können sich freiwillig melden. Die Musterungen sollen ab Sommer 2027 umgesetzt werden.
- Mehr zu dem Thema auf Tagesschau.de: Union und SPD einigen sich auf künftigen Wehrdienst
Über das Ergebnis eines abendlichen Gesprächs wurden am Morgen zunächst die Koalitionsfraktionen informiert, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtete. Details zum Endstand der Verhandlungen und Absprachen zwischen den Parteien waren öffentlich zunächst nicht bekannt. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will, dass das Wehrdienstgesetz Anfang 2026 in Kraft tritt.
"Bedarfswehrpflicht" zur Schließung von Lücken
Auch auf eine Zielmarke für den Aufwuchs der Truppe hat sich die Koalition demnach geeinigt. "Der Bundestag entscheidet durch Gesetz über die Einsetzung einer Bedarfswehrpflicht, insbesondere wenn die verteidigungspolitische Lage oder die Personallage der Streitkräfte dies erforderlich macht", heißt es zum Pflichtanteil. Die Bedarfswehrpflicht diene der Schließung möglicher Lücken zwischen dem Bedarf der Streitkräfte und der tatsächlichen Zahl an Freiwilligen.
"Übersteige die Zahl der Wehrpflichtigen eines Jahrgangs den Bedarf, kann nach Anwendung der Wehrdienstausnahmen und aller anderen Maßnahmen als ultima ratio ein Zufallsverfahren zur Auswahl angewendet werden. Einen Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht wird es nicht geben", heißt es. Um die Frage einer Pflicht hatte es Streit gegeben.
Beim Status der Soldaten im neuen Wehrdienst gibt es eine Änderung zu bisherigen Planungen. "Der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement bleibt erhalten. Ab zwölf Monaten Verpflichtungsdauer wird der Status Soldat auf Zeit (SAZ 1) eingeführt", heißt es. Bisher war geplant, dass alle neuen Wehrdienstleistenden sofort Soldaten auf Zeit werden.
Einigung am späten Mittwochabend
Die Einigung wurde bei Beratungen von Pistorius mit Vertreterinnen und Vertretern der Koalitionsfraktionen erzielt. An dem Treffen nahmen die Fraktionschefs von Union und SPD, Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD), sowie Verteidigungsexperten aus beiden Fraktionen teil.
Im Oktober hatte die Unionsfraktion das schon vom Kabinett verabschiedete Gesetz zum neuen Wehrdienst wegen inhaltlicher Bedenken gestoppt. Strittig waren zuletzt Zielmarken für den Aufwuchs der Truppe und das Auswahlverfahren – etwa per Los beziehungsweise Zufallsprinzip – für den Fall, dass sich nicht ausreichend Männer und Frauen für einen freiwilligen Dienst melden. Diskutiert wurde auch über den künftigen Status der Wehrdienstleistenden und ob alle von ihnen gleich Soldaten auf Zeit sein sollen.
Was passiert, wenn es nicht genügend Freiwillige gibt?
Verteidigungsminister Pistorius hatte immer wieder auf eine flächendeckende Musterung aller jungen Männer eines Jahrgangs gepocht. Für ihn ging es dabei nicht nur um die aktuelle Aufstockung der Truppe, sondern auch darum, "im Verteidigungsfall wirklich handlungsfähig" sein zu können und zu wissen, wer überhaupt in der Lage sei, eingezogen zu werden.
Klar ist: Die Bundeswehr soll um rund 80.000 auf 260.000 Männer und Frauen in der stehenden Truppe wachsen. Als Grund wird die Bedrohung durch Russland und die deswegen veränderten Nato-Planungen genannt. Zudem soll es 200.000 Reservisten geben, deren Zahl vor allem mit dem neuen Wehrdienst gesteigert werden soll. Schon das bisherige Ziel von 203.000 Soldaten wurde allerdings nie erreicht.
Vor allem Politiker der Union haben wiederholt angezweifelt, dass Freiwilligkeit ausreichen wird, um einen ausreichend schnellen Aufwuchs der Bundeswehr zu garantieren. In den Koalitionsverhandlungen setzte sich die SPD aber mit der Forderung nach Freiwilligkeit durch.
Wehrpflicht seit 2011 ausgesetzt
Die Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden, ist aber weiter im Grundgesetz verankert. Sie kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingeführt werden und tritt auch in Kraft, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt.
Das Grundgesetz sieht die Wehrpflicht für Männer vor. Um die Frage, ob und wie Frauen eingebunden werden sollen, gibt es immer wieder Diskussionen, ohne dass eine Mehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes aktuell erkennbar wäre.
BR24live: Einigung bei Wehrpflicht - das sind die Pläne
Einigung auf neues Wehrdienstgesetz
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!

